Marcus Weinberg soll bei der Bürgerschaftswahl als CDU-Spitzenkandidat antreten. Er hat einen schwierigen Weg vor sich.

Das eigentlich Besorgniserregende für die Hamburger CDU sind nicht die 15 Prozent, auf die die Partei in den aktuellen Meinungsumfragen zur Bürgerschaftswahl kommt. Das eigentlich Besorgniserregende ist die Tatsache, dass die Union seit Jahren nicht aus diesem Tief herauskommt. Als Kanzlerin Angela Merkel noch auf dem Zenit ihrer Macht und ihres Ansehens war, fuhr die Hamburger CDU 2015 mit 15,9 Prozent das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte bei einer Bürgerschaftswahl ein. Die SPD leidet derzeit in Hamburg unter dem Bundestrend, die Grünen nutzen ihren bundesweiten Aufwind. Nur die Union ist nach wie vor weit unter 20 Prozent wie eingemauert, und das lässt nur den einen Schluss zu: Die Gründe für die Misere sind hausgemacht.

Die Elb-CDU hat das Chaos ihrer letzten Regierungsmonate 2010/2011 und die Umstände des Bruchs der schwarz-grünen Koalition noch immer nicht durch einen überzeugenden Neuanfang hinter sich lassen können. Die SPD unter Olaf Scholz war auch für viele konservative Wähler attraktiv. Das wird, vermutlich in abgeschwächter Form, auch mit Bürgermeister Peter Tschen­tscher der Fall sein. Außerdem hat eine Abwanderung auch zu den Grünen stattgefunden, die längst im klassisch-bürgerlichen Milieu angekommen sind.

Weinberg ist der richtige Mann

Zugegeben, die Hamburger CDU hat angesichts der wenig erbaulichen Ausgangslage keine große Auswahl an geeigneten Spitzenkandidaten. Die Neigung von externen Parteifreunden, sich auf das Hamburger Wagnis einzulassen, dürfte wenig ausgeprägt sein. Dennoch ist der Altonaer Bundestagsabgeordnete Marcus Weinberg der richtige Mann in dieser schwierigen Situation und keinesfalls eine Verlegenheitslösung.

Für Weinberg spricht seine lange politische Erfahrung auf allen Ebenen – von der Bezirksversammlung über die Bürgerschaft bis zum Bundestag, dem er seit 2005 angehört. Vor allem ist der 51 Jahre alte Lehrer ein sehr kommunikativer Politiker, einer, der gern auf Menschen zugeht. Weinberg steht für die weltoffene und liberale Großstadtpartei CDU, deren Gesicht einst Ole von Beust war.

Weinberg hat gute Kontakte zu Grünen

Weinberg hat an entscheidender Stelle des kurzen schwarz-grünen Bündnisses im Rathaus mitgearbeitet und aus dieser Zeit gute Kontakte zu vielen Grünen. In Berlin hat er mit Sozialdemokraten um Kompromisse in seinem Themenfeld, der Familienpolitik, bei den Verhandlungen über die Große Koalition gerungen. Mehr denn je benötigt die Union diese Anschlussfähigkeit, um überhaupt eine Machtoption zu haben. Das Fehlen einer realistischen Konstellation, in die Regierungsverantwortung zu gelangen, war ein Grund für den Absturz der CDU 2015.

Vor allem muss Weinberg zunächst einem demoralisierten und verzagten Landesverband Hoffnung einimpfen. Da mag die Parteispitze Zuversicht verbreiten, wie sie will: Viele Mitglieder sehen die Lage sehr nüchtern und haben sich damit abgefunden, dass angesichts eines bei Umfragen stabilen rot-grünen Blocks auch 2020 kaum etwas zu holen sein wird. Wer weiß, wie schnell politische Stimmungen heutzutage kippen können, wo die langfristige Bindungskraft der Parteien enorm abgenommen hat, wird dem nicht folgen wollen.

Dennoch bedarf es zum Stimmungsumschwung eines überzeugenden inhaltlichen Angebots, das klassischerweise die Schwächen des Senats nutzt. Worin das wirklich für die Union bestehen kann, ist derzeit sehr fraglich, zumal ein Wechselklima augenscheinlich fehlt. Dass Weinberg bis zur Wahl sein Bundestagsmandat wahrnehmen will, dürfte seine Chancen jedoch nicht erhöhen.