Die Schwedin Greta befeuert eine überfällige Debatte. Aber Zukunft wird aus Mut gemacht – nicht aus Angst.
Am 30. Mai ist der Weltuntergang. So hieß ein erfolgreicher Schlager, der 1954 die Spitze der deutschen Hitparade erklomm. Mit demselben Titel versuchten sich später die Toten Hosen. Weltuntergang geht eben immer. Gerade ist er wieder angesagt bei den Protesten von Schülern und Studenten im Rahmen der sogenannten „Fridays for Future“.
Während die einen sich vor Rührung und Begeisterung über das Engagement der Jugend fast überschlagen, gießen andere Kübel von Spott und Häme über Greta, die Initiatorin der Klimaprotests, aus. So überhöhte die einstige Grünen-Chefin Katrin Göring-Eckardt die 16-Jährige als Prophetin, während CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak das autistische Mädchen als „arme Greta!“ verunglimpfte, die „pure Ideologie“ verbreite.
Seine Kanzlerin hingegen, stets das Ohr am Bauch der Bürger, lobte die Jugendproteste über den grünen Klee: „Ich unterstütze sehr, dass Schülerinnen und Schüler für den Klimaschutz auf die Straße gehen und dafür kämpfen“, sagte Angela Merkel, die einstige Umweltministerin und frühere Vorsitzende einer früher konservativen Partei: „Ich glaube, dass das eine sehr gute Initiative ist.“ Der Hamburger SPD-Schulsenator hingegen verteidigt das bürgerliche Bildungsideal gegen die Macht der Straße. „Niemand verbessert die Welt, indem er die Schule schwänzt“, sagte Ties Rabe.
Da zeigt sich: Die Gemengelage ist kompliziert, und sie wird noch komplizierter, wenn man das 16 Jahre alte Mädchen nun auch noch mit Preisen überhäuft. Zur wichtigsten Frau Schwedens wurde Greta bereits gekürt, eine „Goldene Kamera“ bekommt sie nächste Woche, und für den Friedensnobelpreis ist sie selbstredend auch schon nominiert.
Natürlich ist das Engagement der Schwedin beeindruckend: Sie führt eine Bewegung an, die zu einer Jugendrevolte werden könnte (auch wenn Erwachsene sie seltsamerweise heftig beklatschen), sie hat das Thema Klimaschutz wieder auf die Agenda gehoben, und sie scheut keine inhaltlichen Debatten: In diesen Tagen hat sie geschrieben, man dürfe das Thema Atomkraft nicht verteufeln. Es gibt gute Gründe, das anders zu sehen. Aber Fakt ist: Der Atomausstieg hat die deutsche Klimabilanz nicht eben verbessert. Auch wenn wir Deutsche uns gern als moralische Großmacht und ökologische Vorreiter sehen, hinken wir den meisten Nachbarn hinterher. Die egomanischen Brexit-Briten, die amerikanischen Trumpeltiere, die atomverliebten Franzosen haben im vergangenen Jahrzehnt mehr erreicht.
Das Klima rettet man also nicht durch Sonntagsreden oder mit Großdemonstrationen, sondern mit einem Höchstmaß an Mut und dem Handeln im Alltag. Zukunft wird aus Mut gemacht, lautete der schöne Slogan des grünen Programms zur Bundestagswahl, übrigens der Zeile eines Nena-Songs entliehen. Genau um diesen Mut geht es, der in der derzeitigen Klimadebatte allerdings abhandenkommt. Symbole überlagern Hintergründe, die Emotion ersetzt den Verstand. Was aber bleibt von der Vernunft, wenn die ganz großen Gefühle die Debatte bestimmen?
Längst hat sich ein Ton breitgemacht, der ins Depressiv-Apokalyptische abdriftet: „Verkehrswende statt Weltende“ war ein beliebter Slogan auf der Demonstration in Hamburg. In der „Süddeutschen Zeitung“ fragte der 18-jährige Jakob Blasel aus der Nähe von Kiel: „Wofür sollen wir lernen, wenn es für uns gar keine Zukunft gibt?“ Und Greta sagte in Davos: „Ich will eure Hoffnung nicht. Ich will, dass ihr in Panik geratet, dass ihr die Angst spürt, die ich jeden Tag spüre.“
Panik? Hoffnungslosigkeit? Keine Zukunft? Weltende? Mit dieser Sicht auf die Dinge reduzieren sich die Möglichkeiten dramatisch. Schlimmer noch, sie kann zu Fatalismus führen: Wenn der Weltuntergang ausgemachte Sache ist, wozu dann noch engagieren?
„No Future“ – das hatten wir schon mal. Es erinnert an die politische Debatte der beginnenden 80-Jahre. Damals rechneten wir stündlich mit dem atomaren Overkill, sahen den Wald sterben und die Zukunft durch das Ozonloch schwinden. Am Ende kam alles anders.
Damals fiel der Weltuntergang aus. Greta und uns allen ist zu wünschen, dass es dieses Mal genauso ausgehen wird. Denn noch eine Sache kommt in dieser Debatte zu kurz: Klimaschutz ist die Verantwortung eines jeden Einzelnen – man kann sie nicht an die da oben delegieren. Das lernt man übrigens bei Kant. Beispielsweise in der Schule.