Als der Tennisfan Peter-Michael Reichel in den 1970er- und 80er-Jahren das Turnier am Rothenbaum aus dem fernen Österreich im dort empfangbaren öffentlich-rechtlichen deutschen Fernsehen verfolgte, gehörte die Anlage in Harvestehude zu den Topadressen des Tennis. Die Besten der Welt schlugen hier auf, egal ob es stürmte, goss oder schneite.
Jetzt scheint am Rothenbaum öfter mal die Sonne, weil im Juli gespielt wird. Die Strahlkraft früherer Jahre ist dem Turnier aber längst abhanden gekommen, die Schuldfrage zu erörtern, hilft heute niemandem mehr. Nur so viel: Der Deutsche Tennisbund und seine mächtigen Landesverbände haben den Niedergang nicht aufgehalten, wahrscheinlich haben sie ihn auch zu verantworten.
EM am Rothenbaum: Idee kann funktionieren
Es zeichnet die Reichels, Vater Peter-Michael und Tochter Sandra, aus, dass sie ihre Energie nicht in die Vergangenheitsbewältigung stecken, sondern nach finanzierbaren Lösungen für die Zukunft suchen. Das Turnier als Europameisterschaft auszuflaggen, ist ein kostengünstiger, ebenso charmanter Ansatz, den Rothenbaum aufzuwerten, ihn für Spieler, Sponsoren und Fernsehsender wieder attraktiver zu gestalten.
Ob der Titel jemals einen sportlichen oder merkantilen Wert haben wird, bleibt abzuwarten, den Versuch ist es allemal wert. Das sollte anerkannt werden wie die Bemühungen, aus der Veranstaltung ein Tennisfestival für die ganze Stadt zu machen. An Ideen mangelt es den Reichels nicht. Letztlich wird ihr Erfolg irgendwann einmal davon abhängen, ob sie es geschafft haben, dass am Rothenbaum wieder die Besten der Welt antreten.