Hamburg. Witschaftsbehörde muss im unendlichen Streit der Handelskammer einschreiten. Bisher drückt sie sich vor diesem Schritt.
Die Stimmung in der Handelskammer ist bedrückend. Wie eine im Raumschiff festsitzende Besatzung schwirren die gewählten Plenumsmitglieder durch die Legislaturperiode. Zerfressen von gegenseitiger Antipathie und persönlichen Anfeindungen, können sie sich nicht aus dem Weg gehen – und aussteigen schon gar nicht. Wer jetzt sein Amt aufgibt, weiß genau, dass er nur geringe Chancen hat, bei den nächsten Plenumswahlen der Handelskammer Anfang 2020 wieder für das wichtige Gremium aufgestellt zu werden. So machen alle weiter.
Und streiten weiter. Wer diesmal damit angefangen hat, ist unerheblich. Worum es dabei geht eigentlich auch, da bei den Kammerrebellen schon lange nicht mehr über Sachthemen gestritten wird, sondern nur noch über persönliche Gegensätze.
Wäre man im Kindergarten, könnte sich der Erzieher zurücklehnen und mit pädagogischem Impetus sagen: „Sie müssen halt lernen, sich ihren Platz in der Gruppe zu erkämpfen und zu verteidigen.“ Es geht bloß nicht um Kinder. Es geht um Erwachsene, noch dazu um selbstbewusste Unternehmer, die sich hier bekriegen. Und zwar schon seit Monaten, sodass inzwischen bei den Zuschauern des Dramas der Gedanke reift, dass die selbstheilenden Kräfte der Kammer nicht ausreichen, diese Fehde zu beenden. Ein Präses ist bereits zurückgetreten. Bei der Ersatzwahl bekommt keiner der beiden Bewerber die notwendige Stimmenmehrheit, und als einer der beiden Kontrahenten sagt, er trete erneut zur Wahl an, eskaliert die Lage vollends. Von „Krieg“ ist die Rede.
Die Zusammenfassung der bisherigen Entwicklung zeigt auf: Die Kammer benötigt einen Anstoß von außen. Aber keinen Mediator. Einen solchen hatte das Präsidium Mitte vergangenen Jahres schon einmal hinzugezogen. Nach vier Stunden endete die Mediation ergebnislos. Die Gräben seien zu tief, sagte der externe Moderator.
Der Vorsitzende der CDU-Bürgerschaftsfraktion, André Trepoll, fordert jetzt, die Kammer unter Kuratel der Wirtschaftsbehörde zu stellen. Seine Begründung: Sie komme wegen des internen Zwists nicht mehr ihrer Aufgabe der gesamtwirtschaftlichen Interessenvertretung nach. Bisher drückt sich die für die Kammer als Aufsicht zuständige Wirtschaftsbehörde aber vor diesem Schritt. Sie habe nur die Rechtsaufsicht und rechtliche Verstöße noch nicht festgestellt, sagt sie. Das stimmt, wenn auch nur zum Teil: Aus- und Weiterbildung, Prüfungsabnahmen sowie Service und Beratung laufen weiter wie bisher. Angesichts des Chaos, das die Kammerrebellen an der Spitze verbreiten, ist es fast erstaunlich, wie geräuschlos die hauptamtlichen Mitarbeiter ihre Arbeit bisher weiterversehen, trotz großer Verunsicherung.
Anders verhält es sich aber mit der hoheitlichen Aufgabe der Kammer, sich zu positionieren, die Interessen der Hamburger Wirtschaft zu bündeln und gegenüber der Politik und der Verwaltung zu vertreten. Themen setzt die Kammer schon länger nicht mehr. Standpunkte- und Analysepapiere fallen dem internen Streit zum Opfer. Die Arbeit in den Fachausschüssen ist zum Teil wie gelähmt oder wird vom Radau des Plenums hinweggefegt. Das kann die Wirtschaftsbehörde durchaus öffentlich rügen – vielleicht muss sie es sogar. Denn die Handelskammer ist kein Kindergarten, sondern eine berufsständische Körperschaft öffentlichen Rechts. Sie erfüllt eine gesetzliche Aufgabe. Daran sollte die Aufsichtsbehörde die Kammerrebellen erinnern.