Kinder sind Zukunft. Kinderarmut in einem der reichsten Länder der Erde ist eine Schande. Bildung ist Deutschlands wichtigster Rohstoff. Investitionen in Familien kommen der gesamten Gesellschaft zugute. All diese Gründe sprechen für das vom Kabinett am Mittwoch beschlossene sogenannte Starke-Familien-Gesetz, mit dem die Bundesregierung Eltern stärken will. Aber gut gemeint ist nicht immer gut gemacht.
Schon das bereits vorhandene Bildungs- und Teilhabepaket für Kinder und Jugendliche krankt an der Bürokratie. Unterstützung für einkommensschwache Familien bei Klassenfahrten, bei persönlichem Schulbedarf oder dem Mittagessen – all das gibt es schon länger. Auch wenn beispielsweise der Betrag von 100 Euro pro Schuljahr für die Ausstattung mit Schulheften, Stiften und Ranzen nicht gerade üppig ist.
Genutzt wird das Paket nur wenig. Gründe: zu viel Bürokratie, unverständliche Anträge, Unklarheit darüber, wer die Leistungen abrufen kann. Die beiden SPD-Minister Hubertus Heil und Franziska Giffey wollen das ändern, den bürokratischen Aufwand verringern, Mittagessen und die Beförderung zur Schule kostenfrei stellen, den Kinderzuschlag für Geringverdiener aufstocken. Diese Leistung steht Familien zu, deren Einkommen nicht für alle grundlegenden Bedürfnisse reicht und die für ihre Kinder Sozialleistungen beantragen müssen.
Im Jahr 2005 wurde die Hilfe eingeführt, seit damals hagelt es Kritik. Von 800.000 anspruchsberechtigten Kindern erhalten nur 250.000 diese Leistung auch tatsächlich. Wenn der Staat schon bereit ist, Geld in die Hand zu nehmen, sollte dieses die Adressaten auch erreichen. Alles andere ist ein schlechter Witz. Familienministerin Giffey will nun den Zuschlag mit der Befreiung von Kita-Gebühren verflechten, die Beantragung vereinfachen, den Geltungszeitraum verlängern. Bisher mussten Eltern den Zuschlag ständig neu berechnen lassen, Rückforderungen drohten. Sie ließen es darum oft ganz bleiben.
Die Neuerungen sind sinnvoll. Doch im Kampf gegen Kinderarmut sind es Trippelschritte. Wann machen Familien- und Bildungspolitiker von Bund und Ländern endlich das Angebot der flächendeckenden Ganztagsschule? Staatliche Schulen, in denen Betreuung, Hausaufgabenunterstützung, warmes Mittagessen und Freizeitangebote inklusive sind. Gefördert werden könnten so auch Kinder, deren Eltern sich nicht um die schulischen Belange kümmern können oder wollen. Die Tatsache, dass es in Deutschland kaum Aufsteiger gibt und Kinder aus bildungsfernen Schichten oft dort verbleiben, könnte durch ein solches Angebot deutlich verringert werden. Die soziale Schicht der Eltern darf nicht über die Zukunft des Kindes entscheiden. Das ist wichtiger als ein Beitrag zum Musikunterricht.
Um Familien nachhaltig zu unterstützen, ist außerdem eine Stärkung der Eltern dringend notwendig. Ausreichend Betreuungsmöglichkeiten, also Kitas mit langen Öffnungszeiten und eben Ganztagsschulen, damit auch die Mütter arbeiten gehen können. Eine Stärkung des Mindestlohns, damit Geringverdiener sehen, dass sich Arbeit lohnt – je mehr Familien über dem Existenzminium leben können, desto besser für eine Gesellschaft.
Mehr Geld für die Schulen, ihre Ausstattung, ausgebildete Erzieher, Stundenpläne, die auf ein Leben im digitalen Zeitalter vorbereiten. 50 Euro plus für Schulranzen reichen 2019 nicht mehr aus.