Diese Frau hat es mir nie leicht gemacht, sie zu mögen. Früher haben wir uns mal betrunken, sie machte Witze. Woher “Mutti“ stammt.
Diese Frau hat es mir nie leicht gemacht, sie zu mögen. Früher haben wir uns mal betrunken, sie machte Witze. Lange her. Sie war Ministerin und hatte bei allem protestantischen Bildungs- und Bescheidenheitsstolz etwas Kühnfröhliches. Dann setzte sie diesen skeptischen, oft vorwurfsvollen Selbstschutzblick auf. Diese Frau war dauernde Vorsicht, Disziplin und Ausdauer.
Mehr als fünf Stunden Schlaf seien Luxus, hat sie mal gesagt. Zählen Hundejahre siebenfach, dann Kanzlerinnenjahre zwölffach. Immer war Krise, Verhandeln, Gedulden. Ihr Hirn filterte unentwegt das Wichtige aus dem Infomüll wie ein Wal das Plankton aus Tonnen Wasser; zugleich diese Lust, unzählige Partien Machtschach simultan zu spielen.
Ein Berater streute den angeblichen Spitznamen "Mutti"
Einer ihrer Berater streute den angeblichen Spitznamen „Mutti“, um die berufsbedingte Härte zu mildern. Seither schenkte sie bei Interviews den Kaffee selbst ein, mit diesem Na-das-hätten-Se-jetzt-aber-nicht-gedacht-Blick.
Wollen wir über Fehler reden? Gab es genug, aber in Summe war die Zeit mit ihr mehr als erträglich. Wie viel Bockmist hätte ich in der hochkomplexen Beschleunigungsmaschine Politik gebaut? Definitiv mehr.
Dann dieser Abschied, ausgerechnet in ihrer Heimatheimat Hamburg: wieder in kleinen Schritten, aber alternativlos, gerade noch in Würde, selbstbestimmt, ohne Partei oder Land mit dem Ego zu strapazieren. Statt Bitternis lugt das Kühnfröhliche von einst wieder hervor. Gedient, aber nicht gebrochen. Muss man alles erst mal hinkriegen. Danke, Angela Merkel.