Hamburg. Annegret Kramp-Karrenbauer hat Friedrich Merz mit ihrer großen Leidenschaft geschlagen. Ihr Sieg ist auch einer für Angela Merkel.
Der große Sieger des (Partei-)Tages ist - die CDU. Es war schon beeindruckend zu sehen, dass eine Partei, die 18 Jahre von ein und derselben Vorsitzenden geführt wurde, aus dem Stand drei so starke Nachfolge-Kandidaten präsentieren konnte. Das macht der CDU so schnell keiner nach, und das dürfte vor allem die SPD neidisch wie nachdenklich machen.
Ja, am Ende hätte jeder der drei Bewerber die CDU in eine bessere Zukunft führen können. Dass die Delegierten sich für Annegret Kramp-Karrenbauer entschieden, dass das Ergebnis im zweiten Wahlgang so knapp war, hatte einen Grund: Während die neue Vorsitzende auf dem Parteitag die Rede ihres Lebens gehalten hat, gelang Friedrich Merz für seine Verhältnisse zwar ein guter, aber kein überragender Auftritt. Ausgerechnet der Mann, der sein Leben lang für sein rhetorisches Talent gepriesen wurde, konnte im entscheidenden Moment nicht so überzeugen wie seine Konkurrentin.
Im letzten Moment mit den richtigen Worten gewonnen
Dabei hatte er deutlich länger als Kramp-Karrenbauer gesprochen, dabei waren ihm kluge Gedanken wie jener von der „Agenda der Fleißigen“ gelungen. Aber das reichte nicht, weil AKK von der Bühne aus eine Leidenschaft im Saal entfachte, die ihr wenn überhaupt nur engste Vertraute zugetraut hätten. Wie sie ihr eigenes Leben mit ihren Vorstellungen von Politik verband, wie sie um Vertrauen und ein Miteinander warb, war grandios - und gipfelte in der gefeierten Feststellung, dass Führung etwas mit innerer Stärke und nicht mit Lautstärke zu tun habe. Paradoxerweise wurde es nach diesem Satz in der Hamburger Messehalle richtig laut: AKK hatte gewonnen, und gezeigt, dass man Wahlen tatsächlich auch im letzten Moment mit den richtigen Worten gewinnen kann.
Friedrich Merz wird sich darüber ärgern, dass ausgerechnet ihm dies nicht gelungen ist. Dazu passt, dass sein Auftritt nach der Wahl beeindruckender vor als davor: Wie souverän und fair sich der Kandidat in der Stunde der Niederlage präsentierte, verdient höchsten Respekt. Dass er der Partei wie versprochen „weiter hilft“, scheint dagegen ausgeschlossen.
Die CDU bleibt auf dem von Merkel eingeschlagenen Kurs
Mit Merz haben auch all jene verloren, die die Merkel-Jahre als eine Art Betriebsunfall gesehen haben. Die CDU kehrt nicht zurück in die Zukunft, sie bleibt auf dem von der Bundeskanzlerin eingeschlagenen Kurs, inhaltlich wie in der Art der Führung. Was das für Deutschland bedeutet, ob der Sieg von AKK tatsächlich eine schlechte Nachricht für die SPD und eine gute für die AfD, die Merz bekanntlich „halbieren“ wollte, ist – man wird es sehen, frühestens bei der nächsten Umfrage.
Die CDU hat sich, wenn auch knapp, für eine schrittweise, nicht für eine radikale Veränderung entschieden. Das ist insofern eine gute Nachricht, als dass die Bürger jetzt darauf hoffen können, dass die große Koalition endlich mit ordentlichem Regieren beginnt. Es ist höchste Zeit, und AKK dürfte ihrer Fördererin Angela Merkel genau diese geben, vielleicht wirklich bis zum Ende der laufenden Legislaturperiode. Der Sieg der neuen Parteichefin war deshalb auch ein Erfolg der alten. Und ein gutes Zeichen für alle, die in der aktuellen Bundesregierung sitzen.
Ein Abschiedsgeschenk mit Beigeschmack
Überhaupt war der Tag in Hamburg für die gebürtige Hamburgerin Merkel ein schöner. Der Abschied, den die Partei ihr in Hamburg bereitete, war angemessen und würdevoll – wenn mal von dem Geschenk absieht.
Auf den ersten Blick mag es richtig erscheinen, einer scheidenden Parteivorsitzenden einen Taktstock zu überreichen, insbesondere wenn er von Kent Nagano stammt. Die Kanzlerin ist großer Fan des Generalmusikdirektors der Hamburger Staatsoper. Deshalb hatte sie ihn auch gebeten, beim Elbphilharmonie-Konzert während des G20-Gipfels im vergangenen Jahr zu dirigieren. Dass der Taktstock aber genau bei jenem Konzert zum Einsatz kam, das zeitgleich zu den schweren Krawallen im Schanzenviertel gegeben wurde, macht ihn zu einem Abschiedsgeschenk mit Beigeschmack.
Jens Spahn hat mit Durchhaltevermögen gepunktet
Angela Merkel hätte etwas Besseres verdient gehabt. Wichtiger als der Taktstock wird ihr aber der minutenlange Beifall gewesen sein, mit der der Parteitag auf ihre letzte Rede reagierte. Man konnte bei „der Chefin“, wie sie auf hochgehaltenen Schildern genannt wurde, eine Mischung aus Rührung, Dankbarkeit und Bewegtheit erkennen. Und ja: Erleichterung war auch dabei. Angela Merkel stand nicht nur 18 Jahre an der Spitze der CDU, sie hat es dort auch gut gemacht. Und ihr ist etwas gelungen, was Spitzenpolitikern so gut wie nie gelingt. Ein ehrenvoller Abschied.
Und der vermeintliche zweite Verlierer? Jens Spahn hat mit seinem Auftritt, mit seiner teilweise selbstironischen Rede, aber vor allem mit seinem Durchhaltevermögen gepunktet. Die 15 Prozent, die er im ersten Wahlgang erreicht hat, sind eine Niederlage, die in Zukunft noch für etwas gut sein könnte. Spahn wird als der CDU-Politiker in die kommenden Jahre gehen, der sich stellt und etwas traut, der ein Selbstbewusstsein hat, das man in Zeiten wie diesen sehr gut gebrauchen kann.