Vor dem Hit gegen Dortmund gibt sich ganz München ungewohnt kleinlaut. Das bajuwarische Imperium bröckelt.

Es wäre der optimale Zeitpunkt gewesen. Der FC Bayern München hatte am Mittwochabend gerade – wenn auch mit viel Mühe und wenig Glanz – in der Champions League 2:0 gegen AEK Athen gewonnen, als Präsident Uli Hoeneß vor die Medien trat. Drei Tage vor dem Bundesliga-Klassiker bei Borussia Dortmund am Sonnabend (18.30 Uhr/Sky) wäre nun der logische Moment gekommen, um mal wieder einen hoeneßschen Giftpfeil Richtung Dortmund zu senden. So wie er es eigentlich immer gemacht hat. Doch dann das: „Wir fahren nicht als Favorit nach Dortmund, sondern als Außenseiter“, sagte ein kleinlauter Hoeneß zum Erstaunen aller anwesenden Reporter, die eigentlich eine neuerliche bajuwarische Kampfansage erwartet hatten.

Irgendwie ist alles anders in diesen Tagen rund um die Säbener Straße. Der FC Bayern München, der laut Hoeneß „wichtigste Club in Deutschland“, scheint das Gefühl für den Moment verloren zu haben. Der Rekordmeister ist aktuell Tabellendritter, auch wenn Hoeneß das anders sieht: „Gladbach ist punktemäßig nicht vor uns. Das Torverhältnis interessiert mich nicht ...“ Man muss ganze sieben Jahre zurückblättern, um eine vergleichbare Tabellenkonstellation zu finden.

Doch damit nicht genug. Die Insta-gram-Story-Trainerkritik der bis dahin unauffälligen Spielerfrau Lisa Müller wird zum Politikum und veranlasst den Club gar zu einer offiziellen Stellungnahme, die denselben Umfang aufweist wie die Erklärung einen Tag zuvor zu den Enthüllungen des „Spiegel“ über die Gedankenspiele der Bayern zu einer europäischen Super League. Und ausgerechnet an jenem Wochenende, an dem die Supermachtspläne bekannt werden, stolpern die Superbayern zu einem 1:1 gegen den SC Freiburg – drei Tage nach dem 2:1 im Pokal beim Regionalligisten Rödinghausen.

Alles super, oder was?

Man wird dieser Tage den Eindruck nicht los, dass die auf unbedingte Kontrolle des deutschen Fußballs bedachten Herrscher aus München die Kon­trolle über ihr eigenes Handeln verlieren. Genau drei Wochen ist die schon jetzt legendäre Pressekonferenz nun her, auf der die Clubbosse Hoeneß, Karl-Heinz Rummenigge und Hasan Salihamidzic die Idee hatten, das Grundgesetz samt Menschenwürde zu verteidigen und damit einen Shitstorm erlebten, der bis heute nachhallt.

Vielleicht war Uli Hoeneß auch deswegen so zurückhaltend, als er sich am späten Mittwochabend über den Superklassiker der Bundesliga äußerte. „Man kann ja nicht nach Dortmund fahren und sagen, ich will einen Dreier einfahren“, sagte Hoeneß. Natürlich würde man „die Meisterschaft immer gerne haben, aber wenn es nicht so ist, wird der FC Bayern nicht untergehen“. Worte, die irritierten. Alles nur Taktik? Oder spürt Hoeneß tatsächlich einen Hauch des Untergangs?

Klar ist in jedem Fall eines: Nach sechs Jahren Dauerherrschaft bröckelt das bayrische Imperium in der Bundesliga. Nie war die Münchner Dominanz antastbarer als vor dem 11. Spieltag der laufenden Saison. Borussia Dortmund hat morgen die große Chance, in der Tabelle auf sieben Punkte davonzuziehen.

Bye-bye Bayern?

Ganz so krass kann das Untergangsszenario der Bayern natürlich nicht gezeichnet werden. Hoeneß hat seine „Außenseiter“-Worte schließlich ganz bewusst gewählt. So bewusst wie vor sechs Jahren, als er den damaligen Meister Dortmund als „relativ regionale Sache“ bezeichnete und seinen Bayern den Begriff „Global Player“ zuordnete. Es war die Phase, als letztmals ein anderer Klub Deutscher Meister wurde, ehe die Münchner den Dortmundern nacheinander zunächst Mario Götze, dann Robert Lewandowski und später noch Mats Hummels abwarben.

„Am Ende wird der FC Bayern wie immer oben stehen“, hat Uli Hoeneß vor vielen Jahren einmal gesagt. Meistens sollte er recht behalten. Mit ziemlicher Sicherheit wird es auch in Zukunft wieder so sein, vielleicht auch schon in dieser Saison. Aber es tut der Bundesliga gut, dass für den Moment der Eindruck besteht, als könne es in diesem Jahr endlich mal anders laufen.