Fahrrad-Club schießt mit seiner Kampagne gegen Falschparker über das Ziel hinaus.

Hamburg, eine Fahrradstadt? Auf dem Weg dorthin sind noch viele Hindernisse zu überwinden, wie Radfahrer jeden Tag erleben, wenn sie sich über holprige Radwege mühen, aufspringenden Autotüren ausweichen oder ihnen rücksichtslose Autofahrer gefährlich die Vorfahrt nehmen.

Die Hansestadt hat in den vergangenen Jahren einen zunehmenden Teil des Radverkehrs auf die Straße verlegt. Mittlerweile gibt es rund 120 Kilometer Radfahr- und Schutzstreifen im Stadtgebiet. Das ist, so meinen Experten, sicherer und verbessert den Verkehrsfluss, auch wenn viele Hamburger es noch ziemlich gewöhnungsbedürftig finden.

Wenn aber ignorante Autofahrer die Streifen auf der Straße trotz Verbots zum Halten oder sogar Parken nutzen, dann wird das Fahren auf den Radstreifen nicht nur zu einer besonderen Herausforderung: Es bringt die Radfahrer in konkrete Gefahr. Denn die Falschparker zwingen sie, sich in den fließenden Verkehr einzufädeln, und schaffen so eine unübersichtliche Verkehrssituation.

Insa Gall leitet die Hamburg-Redaktion des Abendblatts
Insa Gall leitet die Hamburg-Redaktion des Abendblatts © HA | Marcelo Hernandez

Deshalb rückt der Allgemeine Deutsche Fahrrad Club (ADFC) dieses Dauerärgernis nun ganz zu Recht in den Fokus. Die Denkzettel, die sie gestern verteilten und die optisch an Strafzettel erinnern, können dem Bewusstsein der Autofahrer für die von ihnen geschaffene Gefahr auf die Sprünge helfen. Dazu trägt auch die Polizei bei, die im Oktober schwerpunktmäßig Radwege und -streifen kontrolliert.

Mit dem Internet-Pranger aber schießt der Club der Fahrradlobby weit über das Ziel hinaus. Der ADFC wirbt dafür, Fotos von Falschparkern unter dem Hashtag #radwegparker in den sozialen Medien zu veröffentlichen. Zwar soll das anonym geschehen, doch achselzuckend verzichtet der Fahrradclub darauf zu kontrollieren, ob auf den Bildern nicht doch Fahrer oder Kennzeichen zu sehen sind. So erhebt sich die Fahrrad-Lobby rechthaberisch über die Strafverfolgungsbehörden und macht sich mit der öffentlichen Zurschaustellung von Falschparkern selbst zum Richter. Das ist ebenso illegitim wie die Onlineportale der AfD, auf denen Schüler und Eltern melden sollen, wenn Lehrer im Unterricht gegen die Partei Haltung beziehen.

Wenn Internet-Pranger Schule machen, egal aus welcher Absicht heraus, dann brechen finstere Zeiten an. Wer sich moralisch überlegen fühlt, ist nicht automatisch im Recht.

Zu fragen ist übrigens, ob das Halten nicht auch auf den Fahrradschutzstreifen verboten werden sollte. Auf den mit gestrichelten Linien begrenzten Streifen dürfen Autofahrer nämlich im Gegensatz zu den Radfahrstreifen bis zu drei Minuten stehen.

Internet-Pranger jedenfalls und ausführliche Anleitungen im Netz, wie Falschparker anzuzeigen sind, fachen das ohnehin schon aufgeheizte Klima auf Hamburgs Straßen noch zusätzlich an. Ohnehin bewegt kaum ein Thema die Hamburger mehr als der tägliche Kampf im Straßenverkehr. Schließlich wird der öffentliche Raum in der Hansestadt angesichts wachsender Verkehrsströme knapp. Und nebenbei ­gesagt gibt es nicht nur ignorante Autofahrer, sondern auch genügend Radfahrer, die sich rücksichtslos durch den Verkehr schlängeln, überall auf ihr Recht pochen und dann bei Rot über die nächste Kreuzung fahren.

Pauschale Schuldzuweisungen helfen da nicht weiter – und schon gar nicht öffentliche Pranger. Das Miteinander im Straßenverkehr wird nur funktionieren, wenn sich alle an die Regeln halten. Und ihre Umsetzung konsequenter kontrolliert wird.