Ein Thesenpapier bewegt die Profi-Ligen. Der HSV und der FC St. Pauli diskutieren heute darüber bei der DFL.

    Union Berlin hat es in den vergangenen Tagen gleich zweimal geschafft, seine Konkurrenten zu ärgern. Am Wochenende war es Torhüter Rafael Gikiewicz, der in der Nachspielzeit zum 1:1 gegen Heidenheim traf. Ein spektakuläres Tor, das auch dafür sorgte, dass Union am HSV vorbei auf Rang zwei zog. Und ein paar Tage zuvor waren es die Verantwortlichen vom Zweitligaclub, die unabgesprochen ein Thesenpapier („Kurswechsel für den deutschen Profifußball“) über strukturelle Reformen veröffentlichten – und damit vor allem die Platzhirsche der Bundesliga genauso vor den Kopf stießen wie Heidenheims Hintermannschaft. Gladbachs Max Eberl nannte das Positionspapier „kontraproduktiv“, Dortmunds Sportchef Michael Zorc sagte: „Grundsätzlich finde ich die Strukturen, wie sie momentan sind, erhaltenswert.“

    Gelesen hatten übrigens weder Eberl noch Zorc das Papier. Im Gegensatz zu ihren Hamburger Kollegen Bernd Hoffmann (HSV-Chef) und An­dreas Rettig (Geschäftsführer des FC St. Pauli). Beide wollen die Union-Thesen heute auf der DFL-Konferenz aller Zweitligisten in Frankfurt, auf der eigentlich über die kommende Ausschreibung der TV-Rechte diskutiert werden soll, in großer Runde besprechen. Grund genug, um sich schon vor dem Treffen über den Sinn und Unsinn der Union-Vorschläge Gedanken zu machen. Die zentrale Frage, zu der alle 36 Proficlubs spätestens bis zur DFL-Vollversammlung im Dezember eine Antwort parat haben sollten, lautet: Wie soll der Profifußball der Zukunft in Deutschland eigentlich aussehen?

    TV-Gelder sollen stufenlos verteit werden

    Puh. Einigen müssen sich dann die großen Bayern aus München, die gerade die dritte Fußballschule in China eröffnet haben, und die kleinen Bayern aus Regensburg, die sich über den Discounter Netto als Hauptsponsor freuen. Und irgendwo in der Mitte finden sich der HSV und St. Pauli wieder, die aber in wesentlichen Punkten auch fundamental unterschiedliche Meinungen haben.

    Aber alles schön der Reihe nach. Eine zentrale Union-Forderung ist, die TV-Gelder stufenlos an alle Clubs zu verteilen. Die Idee dahinter: mehr Wettbewerb, mehr Chancengleichheit und vor allem mehr Attraktivität in der immer langweiliger gewordenen Bundesliga. Im Kern geht es darum, ob die Liga viel sozialer (St. Pauli), ein bisschen sozialer (HSV) oder gar nicht sozial (Bayern) werden soll.

    Aufstockung der Liga? Ja, aber …

    Ähnlich viel Sprengstoff wie Unions TV-These bietet Berlins Plädoyer für die grundsätzliche Erhaltung der 50+1-Regel. Dagegen aussprechen wird sich wohl auch der HSV. Unterstützung wird Union dagegen vom FC St. Pauli erhalten – und vom Abendblatt. Die Möglichkeit, an schnelleres Geld durch neue Investoren zu kommen, steht meiner Meinung nach in keinem Verhältnis zu den Risiken, die diese neuen (und keinesfalls selbstlosen) Investoren mit sich bringen. Ein Blick ins Ausland nach Mailand oder Málaga könnte helfen – genauso wie ins nahe Volkspark-Stadion, wo der streitbare Milliardär Klaus-Michael Kühne als Erster auf der Matte stehen würde, wenn die 50+1-Regel gekippt werden würde.

    Interessant klingt Unions Vorschlag, die ersten drei Ligen auf jeweils 20 Teilnehmer aufzustocken. Es wäre ein Plädoyer dafür, die nationalen Ligen in Abgrenzung zu den internationalen Wettbewerben zu stärken. Alles andere als schlüssig ist aber die gleichzeitige Forderung, englische Wochen und Salamispieltage zu reduzieren. Gut gemeint ist in diesem Fall nicht gut gemacht.

    Das gilt auch für die Idee einer Obergrenze des Gehaltsetats in ähnlicher Form wie im US-Sport. Das Pro­blem an dem Vorschlag: Hier werden Äpfel mit Birnen verglichen. Während die US-Ligen auf einem geschlossenen System basieren, sind derartige Gedanken im offenen Ligakreislauf utopisch.

    Es gibt noch eine Reihe von weiteren Union-Vorschlägen, deren Diskussion an dieser Stelle aber den Rahmen sprengt. Unter dem Strich kann man aber festhalten, dass Berlins Reformpapier ein gelungener Anstoß zu einer längst fälligen Grundsatzdebatte sein könnte. Ein bisschen Revolution kann dem Fußball jedenfalls nicht schaden.