Nur 0:0 gegen den FC St. Pauli – die Entwicklung des jungen Teams stockt.

Seinen Optimismus hatte Peter Tschentscher trotz der gerade abgelaufenen 90 Minuten nicht verloren. Wichtig sei, sagte Hamburgs Erster Bürgermeister, dass der HSV und der FC St. Pauli jetzt in den kommenden Wochen und Monaten fleißig Punkte auf Vorrat sammeln, denn: „Wir hoffen ja, dass die zwei Mannschaften am Ende der Saison den Aufstieg in die Fußball-Bundesliga schaffen.“

Das war nun wirklich äußerst hoffnungsvoll (und wahrscheinlich einfach nur höflich), was Tschentscher nach Spielende in der Sprecherkabine von NDR 90,3 im Volksparkstadion formulierte. Denn zieht man nach einem knappen Viertel der Saison ein erstes Zwischenfazit, dann sieht es ganz danach aus, als ob die Hamburger nicht wieder sieben Spielzeiten auf das nächste Stadtderby warten müssen und es schon in der kommenden Saison ein Wiedersehen geben wird. In Liga zwei.

So groß die Vorfreude auf das 100. Pflichtspiel zwischen beiden Clubs auch war, so mager fielen die Darbietungen beider Teams am Ende aus. In allen wichtigen Spielkategorien – spielerische Raffinesse, Taktik, Tempo, Torchancen, leidenschaftliche Zweikampfführung – erreichte das Duell allenfalls zweitklassiges Niveau. In der zweiten Halbzeit ähnelte der Geräuschpegel auf den Rängen angesichts der Ereignislosigkeit auf dem Rasen phasenweise dem einer gemütlichen Kaffeefahrt auf der Elbe. Merke: Auch ein Derby will offenbar gelernt sein.

Wenn man etwas Gutes an diesem unterm Strich langweiligen, „sachgerechten Ergebnis“ (Tschentscher) sucht, dann den Umstand, dass dieses wenig emotionale Spiel keine Frustrationen in den Fanlagern förderte und zur allgemeinen Beruhigung nach dem Abpfiff beitrug. Nach dem weitgehend störungsfreien Ablauf dürfen sich Fanbetreuer und auch Behörden beglückwünschen – der hohe planerische und personelle Aufwand ist zwar eigentlich ein Wahnsinn, hat sich aber gelohnt. Sie dürfen sich als Sieger fühlen.

Aus der Perspektive beider Teams fällt die Analyse des 0:0 naturgemäß unterschiedlich aus. Während der FC St. Pauli das Unentschieden zufrieden als Auswärts-Punktgewinn für sich verbuchen konnte, hat der (im Vergleich zum Lokalrivalen finanziell bedeutend besser ausgestattete) HSV eindeutig zwei weitere Punkte verloren.

Nach den jüngsten drei Spielen (davon zwei im Volkspark) mit nur zwei von neun möglichen Punkten und null Toren haben die Rothosen nicht nur bereits fünf Punkte Rückstand auf den Tabellenführer aus Köln. Bedenklich stimmt vor allem, dass die verjüngte Mannschaft in ihrer Entwicklung merklich stockt.

Vieles im Spiel nach vorne sieht plan- und einfallslos aus, das kann der hohe Ballbesitzanteil nicht kaschieren. In der derzeitigen Verfassung bleibt der sofortige Wiederaufstieg jedenfalls ein Wunschtraum, auch wenn sich das in der Tabelle noch nicht so bedrohlich ausdrückt. Viel Arbeit für Trainer Christian Titz, auf den der Druck mit jedem weiteren sieglosen Spiel wachsen wird. Und die (erneut erstklassigen) Fans benötigen viel Geduld.

Ob es Titz trösten kann, ist fraglich, aber: Wie schnell sich der Trend im Profifußball drehen kann, zeigt sich bei seinem Trainerkollegen Markus Kauczinski, dessen Posten nach dem 1:3 in Aue gehörig wackelte, der danach jedoch sieben Punkte aus drei Spielen holte. Wären die Braun-Weißen nicht so sehr auf Stabilität und Sicherheit in ihrem Spiel bedacht gewesen, hätten sie gerade mit ihren wendigen Spielern die HSV-Abwehr vor deutlich mehr Probleme stellen können.