Es ist Zeit für ein Science Center: Es geht um mehr als um ein Museum
Bedenkenträger dürfen sich freuen: Sie können in den kommenden Monaten mahnen und warnen, über Größenwahn und Geldverschwendung lamentieren oder darauf verweisen, sich doch bitte nicht zu verzetteln: Die Idee eines Science Centers in der Hansestadt polarisiert sofort. Eine breite Initiative aus Hochschulen, Unternehmen und Verbänden fordert es vehement, andere fürchten, der Vorstoß gefährde die Pläne für ein Naturkundemuseum.
So birgt die Gleichzeitigkeit eine Gefahr: Erst vor Kurzem hatte Hamburg angekündigt, sich mit dem Naturkundemuseum um ein Leibniz-Institut zu bewerben – da mögen manche den Vorstoß für ein Science Center als Störfeuer missverstehen. Tatsächlich aber liegt in der Parallelität eine Chance. Die Chance für ein integriertes Haus in der HafenCity, das Forschung, Entdeckung und Erlebnis – ein Naturkundemuseum, ein Science Center und eine Klimaschau – unter einem Dach vereint.
Gemeinsam kann es gelingen. Das Haus würde Ideen und Ansätze zusammenbringen, die kluge und ambitionierte Hamburger seit Langem allein gedacht und vorangetrieben haben. Seit Jahren kämpft der Hanseatische Ingenieurs Club für ein Science Center, der Wetterexperte Frank Böttcher für eine Klimaschau und der renommierte Zoologe Matthias Glaubrecht für ein Naturkundemuseum in der Hansestadt. Letzteres ist auf einem guten Weg – aber sollte noch nicht das Ziel aller Hamburgs Ambitionen sein.
Wenn die Hansestadt es ernst meint mit der Wissenschaftsmetropole, muss sie weiter springen. Ein exzellentes Naturkundemuseum liegt eineinhalb Zugstunden entfernt in Berlin, zwei ambitionierte Experimentierschauen mit dem Phaeno in Wolfsburg und dem Universum in Bremen. Es bedarf also eines Hauses, das mehr will und mehr bietet. Das nun vorgestellte Konzept eines kombinierten Naturkundemuseums und Science Centers könnte zusammenbringen, was an der Elbe bislang fehlt: ein Museum, das eng an alle Hochschulen angelehnt ist, die Wissenschaftler vernetzt und zum Forschungsort wird. Und eine Schau, die Menschen für Technologie, Wissen und Wissenschaft begeistern kann. Es geht längt nicht nur um den Wissenschaftsstandort Hamburg, sondern um das Land insgesamt: Ziel eines solchen Hauses muss sein, gerade bildungsfernere Schichten für Technik und Wissenschaft zu begeistern. Nur so werden ausreichend Fachkräfte ausgebildet werden können.
Das Science Center ist also mehr als ein Museum – es ist Standortpolitik. Wann soll es denn gelingen, wenn nicht jetzt, wo Steuermillionen fließen? Wer soll es verwirklichen, wenn nicht ein Senat, der sich die Forschungsförderung zum Ziel gesetzt hat? Und wo, wenn nicht in Hamburg, dieser verspäteten Wissenschaftsstadt?
Gelingt der große Plan, könnte das neue Haus auf die Stadt wirken wie das Deutsche Museum auf München. Die bayerische Landeshauptstadt profitiert bis heute von der Gründung des Hauses im Jahre 1919. Rund ein Drittel der jährlich fast 1,5 Millionen Gäste kommt aus dem Ausland. Das Museum und seine enge Zusammenarbeit mit der Universität haben einen eigenen Forschungskosmos erschaffen, der die Stadt zum Technologiestandort Nummer eins gemacht hat. Der Physiker Rudolf Mößbauer hat einmal betont, er wäre nie Nobelpreisträger geworden, hätte er nicht als Kind das Museum besucht. Hamburg kann auch wieder einen Nobelpreisträger brauchen.
Seite 10 Bericht