Der Sommer war nicht nur sehr groß, er war zugleich eine große Warnung: Die Erde heizt sich auf.
Ich weiß: Man sollte das Wetter nicht mit dem Klima verwechseln. Weder macht eine Schwalbe schon einen Sommer noch ein Traumsommer eine Klimakatastrophe. Aber man muss schon ziemlich borniert oder Trump sein, um zu übersehen, dass es wärmer wird. Die vergangenen drei Jahre waren global die wärmsten seit Beginn der Messungen Mitte des 19. Jahrhunderts, dieses Jahr dürfte der nächste Rekord fallen. Nun schwankte das Klima in den vergangenen Jahrhunderten immer wieder stark, Temperatursprünge von ein bis zwei Grad nach oben und unten sind regional dokumentiert: Auf Grönland wuchs in der Mittelalterlichen Warmzeit im 11. Jahrhundert Getreide; im 18. Jahrhundert, der kleinen Eiszeit, liefen die Italiener in der Lagune von Venedig Schlittschuh. Deshalb aber sollte man mit dem Klima nicht spielen. Fakt ist: Pendelte der vorindustrielle Wert des Treibhausgases CO2 in der Atmosphäre bei 280 Teilchen per Millionen (ppm), sind wir nun bei 405 ppm angekommen. Und jedes Jahr kommen zwei hinzu.
Das Verdrängen – unsere liebste Strategie in Klimafragen – funktioniert also immer schlechter. Als Alternativstrategie ähnlich beliebt ist hierzulande das Schönreden. Da belehren die Deutschen andere Nationen gern als gefühlte Klimaweltmeister. Blöd nur, dass der Rückgang der 90er-Jahre längt Geschichte ist. Zwar sanken die Gesamt-Emissionen seit der Wiedervereinigung bis 2016 um 27,3 Prozent. 2015 und 2016 aber drehte der Trend wieder, der deutsche Ausstoß stieg. Die Vereinigten Staaten hingegen schafften selbst unter Donald Trump jeweils einen Rückgang der Emissionen, wenngleich sie mit ihrem energiehungrigen „American Way of Life“ mit 16,5 Tonnen pro Einwohner weit vorne liegen. Mit rund zehn Tonnen pro Kopf stehen die Deutschen zwar besser da, aber nicht gut. Die Franzosen kommen - auch wegen der Kernkraft – nur auf 5,3 Tonnen, die Inder gar nur auf 1,8 Tonnen.
Wir Deutschen delegieren Verantwortung ja gern: Dafür bekommen wir viel Symbolpolitik – eine chaotische Energiewende, Dieseldurchfahrverbote oder Glühbirnenbann täuschen einen Kampf gegen den Klimawandel vor, der vor allem auf Nebenkriegsschauplätzen ausgetragen wird.
Es ist der Verkehr, der den Deutschen die Klimabilanz verhagelt: Hier ist der Ausstoß inzwischen höher als 1990. Immer mehr Güter sind auf der Straße unterwegs, und die angeblich so umweltbewussten Deutschen kaufen am liebsten Autos, die schwer, groß und schnell sind. Wir reden zwar pausenlos von Elektroautos, aber ordern dann einen Geländewagen für die Stadt. Und der Diesel, der einstmals das Klima retten sollte, steht auf der Abschussliste.
Noch ein anderes Verkehrsmittel heizt das Treibhaus auf: Flugzeuge sind schon jetzt für rund fünf Prozent der Erderwärmung verantwortlich, sagen Studien. Nicht nur das CO2, sondern auch direkt in hohe Luftschichten ausgestoßene Stickoxide und Wasserdampf wirken dabei mit. Wenn wir aber weder mit Verdrängen noch mit Schönreden das Klima retten können, sollten wir es vielleicht zur Abwechslung mit Handeln versuchen.
Im Internet bietet der WWF einen Rechner an, der den persönlichen klimatischen Fußabdruck berechnet. Das ist erst unterhaltsam und dann eine Lehre in Demut. Er kalkuliert, wie unser aller Verhalten und Fehlverhalten den CO2-Ausstoß beeinflusst: Das Obst ist nur zur Hälfte saisonal und aus der Region? Zack, macht 310 Kilogramm Kohlendioxid Zuschlag. Sie haben eine Tiefkühltruhe im Keller? Dann kommen 210 Kilogramm obenauf. Häufigere Restaurantbesuche und Übernachtungen außer Haus schlagen gar mit 1,2 Tonnen extra ins Kontor. Und eine Zahl entzaubert alle gut gemeinten Bemühungen: Einige private Urlaubsflüge, und schon kommen 3,64 Tonnen hinzu. Am Ende landet der Durchschnittsdeutsche schnell bei drei Planeten – also dem dreifachen Verbrauch dessen, was die Welt verkraften kann.
Im SUV zum Biomarkt? So werden wir die Welt nicht retten. Dann lieber zu Fuß zu Aldi. Und am Wochenende nach Mallorca jetten? Für Klimaschützer eine No-go-Area. Da wäre der Welt eher mit einem Urlaub an der Müritz gedient. Immerhin: Das Wetter wird ja besser.