Viele Länder übertragen die Weltmeisterschaft im Rollstuhlbasketball live. Doch die Bundesregierung ignoriert sie.
Zum großen Finale des Hamburger Sportsommers an diesem Wochenende lässt die Hansestadt noch einmal die Muskeln spielen. Am Rothenbaum baggern und schmettern die besten Beachvolleyballer der Welt, auf der Mönckebergstraße sprinten am Sonntag die besten Klassikerexperten des internationalen Radsports um den Sieg, und in Wilhelmsburg läuft schon seit gestern und noch bis zum Sonntag in einer Woche die Rollstuhlbasketball-WM – das größte Behindertensportereignis der Welt nach den Paralympischen Spielen. Die ARD überträgt am Sonntagnachmittag alle drei Wettbewerbe live aus Hamburg. Schöne Bilder aus der Hansestadt, sagt Sportsenator Andy Grote, kämen entweder aus der Elbphilharmonie – oder vom Sport.
Es sind tatsächlich drei völlig unterschiedliche Sport-Events, die alle eine unterschiedliche Geschichte haben, die aber alle zeigen: Hamburg ist eine Sportstadt. Die Cyclassics finden bereits zum 23. Mal statt. Sie wurden gegründet, als der Radsporthype in Deutschland durch Jan Ullrich auf dem Höhepunkt war. Das geniale Konzept, ein Jedermannrennen in das Event zu integrieren, ist die Basis für den anhaltenden Erfolg. Noch immer gilt es als größtes Rennen in Europa.
Diese Nachhaltigkeit muss Beachvolleyball noch beweisen. Vor drei Jahren wurde erstmals ein Welttourturnier mit Olympiaqualifikation im Tennisstadion am Rothenbaum ausgetragen. Man wollte vor der Olympiabewerbung der Welt zeigen: Wir können es. Dann kam der Olympiasieg von Laura Ludwig und Kira Walkenhorst. Nur deshalb findet 2019 die WM an der Hallerstraße statt.
Die WM im Rollstuhlbasketball aber wird in jedem Fall ein einmaliges Ereignis sein. Sie ist vom sportlichen Wert und der Reputation für Hamburg in der Welt her gar nicht hoch genug anzusiedeln. Fernsehanstalten aus Japan, der Türkei und Italien übertragen die Spiele ihrer Teams live. 20 Nationen sind am Start, mehr als 300 Sportler aus 28 Mannschaften, dazu zahlreiche Funktionäre, Betreuer, auch Fans. Die Stadt Hamburg hat den Wert dieses Ereignisses erkannt und blieb auch bei ihrer Zusage, es mit drei Millionen Euro zu unterstützen, nachdem die Bürger sich gegen die Ausrichtung der Olympischen und Paralympischen Spiele 2024 entschieden hatten. Das ist stark und ein gutes Zeichen – nicht nur für den Behindertensport.
Das Gegenteil demonstriert die Bundesregierung. Noch einmal für die Damen und Herren Bundespolitiker zum Mitschreiben: In der zweitgrößten deutschen Stadt wird gerade eine Weltmeisterschaft ausgetragen, kein Wald-und-Wiesen-Sportfest. Da ist automatisch auch immer Deutschland Gastgeber und macht Eindruck – solchen oder solchen. Noch hat sich kein Sportpolitiker aus Berlin bei der WM angesagt.
Nun ist man Derartiges ja schon gewohnt. Die Geringschätzung deutscher Spitzenpolitiker für den Spitzensport (mit Ausnahme des allgegenwärtigen Fußballs) haben zuletzt schon Moritz Fürste und die Kugelstoßerin Christina Schwanitz kritisiert. Ob sich Sportminister Horst Seehofer (CSU) – ja, das ist er wirklich – in dem von vielen Migranten bewohnten Wilhelmsburg wohlfühlen würde, sei dahingestellt. Aber: Es gibt aus Berlin auch keinen müden Cent öffentlicher Förderung für die WM. Nicht mal eine Ausfallbürgschaft. Nichts. Null Komma null. Es gibt nur Ignoranz.
Das kann man so machen. Muss man aber nicht. Noch einmal: Es ist eine WM in einer paralympischen Sportart, die eben nicht täglich im Fokus der Öffentlichkeit steht. Einer Sportart, der nicht die Sponsoren und Fans die Bude einrennen. Ein wenig demonstrierte Wertschätzung hätte da gutgetan. Nicht nur den Organisatoren, sondern auch den Athleten und Aktiven, die diesen Sport betreiben und sich damit nicht selten aktiv gegen den Schicksalsschlag eines Unfalls oder einer Krankheit stemmen. Wir Hamburger aber haben in der kommenden Woche noch Gelegenheit, diese Wertschätzung zu demonstrieren: indem wir rausgehen in den Inselpark und die Spieler bei ihrem faszinierenden Sport unterstützen.