Schleswig-Holsteins Ministerpräsident mischt die Bundespolitik auf. Nun überzieht Daniel Günther (CDU).
Es ist eine der spektakulärsten Politkarrieren der jüngsten Vergangenheit: Daniel Günther begann vor nicht einmal zwei Jahren als Verlegenheitskandidat der CDU im Norden, nachdem Ingbert Liebing Ende Oktober 2016 zurückgetreten war. Günther hatte keine Chance – und nutzte sie. Mit einem beherzten und mutigen Wahlkampf besiegte er 2017 den selbstgefälligen Amtsinhaber Torsten Albig (SPD) und ließ dem Gesellenstück gleich sein Meisterstück folgen – eine Jamaika-Koalition aus Union, FDP und Grünen.
Dieser Doppelerfolg hat den 45-Jährigen zu einem bundespolitisch gefragten Politiker gemacht. Inzwischen lässt der Ministerpräsident kaum noch ein Mikrofon aus, um von der Waterkant aus die Welt zu erklären: Erst mischte er sich wortgewaltig in den Streit mit der CSU ein, las den Bayern die Leviten und stellte sich klarer als die meisten Parteifreunde an die Seite der Kanzlerin.
Daniel Günther klingt wie ein Grüner
Am Wochenende forderte er via Deutsche Presse-Agentur, die Große Koalition müsse die Wahlperiode durchhalten, und überraschte dann Freund wie Feind mit Gedankenspielen, auch mit der Linken Koalitionen zu bilden. Und während sich die Aufregung um diese Aussage noch gar nicht gelegt hat, empfahl er in der ARD, mit einem Einwanderungsgesetz auch abgelehnten Asylbewerbern einen Weg auf den deutschen Arbeitsmarkt zu eröffnen.
Manche in der traditionell konservativen Nord-CDU reiben sich verwundert die Augen: Der Daniel Günther, der 2016 noch für Schweinefleisch in öffentlichen Kantinen und gegen die doppelte Staatsbürgerschaft kämpfte, klingt in ihren Ohren inzwischen wie ein Grüner. Offenbar färbt die Jamaika-Koalition auf den Ministerpräsidenten ab. Liegt der geräuschlose und pragmatische Regierungskurs in Kiel am Ende auch daran, dass die Union besonders flexibel die eigene Programmatik auslegt oder übergeht?
Viele CDU-Mitglieder ballen die Faust in der Tasche
Mit dieser Strategie hat die Kanzlerin lange Erfolg gehabt: Sie hat die Union modernisiert, zugleich aber auch entkernt. Sie hat – als Kanzlerin der CDU/CSU – gegen jede Parteiprogrammatik die Wehrpflicht ausgesetzt, die Energiewende beschleunigt, in der Flüchtlingskrise die Grenzen geöffnet und den Sozialstaat kräftig ausgebaut. Ein Kollateralschaden dieser Politik ist eine entbehrliche Premiere in der Geschichte der Bundesrepublik: Mit der AfD sitzt eine rechte, in Teilen rechtsradikale Partei im Bundestag.
Auch die CDU leidet längst unter ihrer eigenen Konturlosigkeit: In manchen Umfragen hat die Union bereits die 30-Prozent-Marke nach unten durchbrochen. Auch wenn viele Leitartikler oder politische Gegner wie Winfried Kretschmann von den Grünen der Kanzlerin kräftig Beifall klatschen, viele CDU-Mitglieder ballen eher die Faust in der Tasche.
Günthers jüngste Ideen zu Asyl oder zu Koalitionen mit der Linken zeichnen das erwünschte Bild eines weltoffenen, modernen Ministerpräsidenten. Das ist angesichts sich auflösender politischer Lager keine ganz falsche Strategie. Günthers Kurs aber bleibt eine Gratwanderung, die bei zu kräftigen Ausfallschritten nach links zum Absturz führen kann.
In der CDU macht sich leiser Unmut breit. Günther sollte sich nicht täuschen: Beifall von der Grünen und der FDP verbessern nicht zwangsläufig die Wahlergebnisse der CDU. In der jüngsten Umfrage hat die Union in ihrer alten Hochburg im Norden leicht auf magere 34 Prozent zugelegt; die Grünen hingegen haben ein Drittel auf 18 Prozent gewonnen.