Hamburg. Flexible Instrumente wie Vertrauensurlaub sind sinnvoll – aber auch gefährlich.

    Früher war die Arbeitswelt klar strukturiert. Es gab Achtstundentage, 40-Stunden-Wochen, 25 Tage Jahresurlaub, und nicht selten galt das Prinzip: ein Unternehmen, ein Leben lang. Der Chef stellte unumstößliche Regeln auf, zum Beispiel, dass jeder seiner Angestellten um spätestens 8 Uhr am Arbeitsplatz zu erscheinen hatte und nicht vor 15.30 Uhr das Büro in Richtung Garten oder Wohnzimmer verlassen durfte. Es war einmal ...

    Heute sind diese festen Strukturen – mit Ausnahme von Industrieunternehmen im Schichtbetrieb – weitestgehend verschwunden. Flexibilität heißt die Überschrift über der schönen neuen Arbeitswelt. So gibt es mittlerweile Angebote an die Beschäftigten, die sich wie eine Einladung ins Paradies anhören. Der gerade bei Start-ups verbreitete Vertrauensurlaub gehört zu diesem vermeintlichen Sechser im Lotto. Jeder Angestellte kann Zahl und Lage seiner Urlaubstage selbst bestimmen. Formulare ausfüllen, auf die Zustimmung des Chefs warten – das war einmal.

    Haben sich Firmen zu Anstalten privater Wohltaten gewandelt?

    In diese moderne Zeit der großen Flexibilität passt auch das weitverbreitete Homeoffice – zu Hause arbeiten, so lange und wann immer man möchte. Haben sich die Firmen zu Anstalten privater Wohltaten gewandelt? Steht womöglich nicht mehr der Gewinn im Zentrum ihres Handelns, sondern das Wohlergehen ihrer Angestellten? Fakt ist: Um mit Blick auf den Fachkräftemangel gutes Personal anzulocken, müssen sich Unternehmen viel einfallen lassen. Firmen mit starrer Arbeitszeit tun sich heute deutlich schwerer, Stellen zu besetzen, als jene mit Home­office und Vertrauensurlaub.

    Immer mehr Beschäftigte erwarten eine möglichst große Flexibilität in puncto Arbeitszeit. Denn die Jahrzehnte, in denen der Mann das Geld nach Hause brachte und die Frau zu Hause die Kinder betreute, liegen zum Glück lange hinter uns. Meist arbeiten beide Elternteile und übernehmen auch gemeinsam die Erziehung ihres Nachwuchses. Freizeit, Job und häufig eben auch die Kindererziehung optimal miteinander zu verbinden – das ist das Ziel der Arbeitnehmer. Und dafür sind ­Instrumente wie Homeoffice oder Vertrauensurlaub durchaus sinnvoll.

    Home­office gleich Dauererreichbarkeit?

    Allerdings sollte man nicht vergessen, dass es den Firmen bei ihrem Handeln weiterhin primär um eine möglichst hohe Rendite geht. Und wegen der unterschiedlichen Interessen zwischen Chef und Arbeitnehmer kann das vermeintliche Paradies voller flexibler Lösungen für Beschäftigte schnell zur Hölle werden. Wenn zum Beispiel Home­office mit Dauererreichbarkeit verwechselt wird und kurzfristige Arbeitsaufträge regelmäßig in den Abendstunden und am Wochenende über das Smartphone eintreffen. Oder wenn Kollegen, denen wegen betrieblicher Notwendigkeiten kein Home­office vergönnt ist, offen über die „faulen Heimarbeiter“ lästern.

    Regieren erst einmal Neid und Missgunst im Betrieb, leidet darunter häufig nicht nur das Arbeitsergebnis aller. Dann können aus Vertrauensurlaub auch schnell weniger freie Tage als üblich und zur Erholung notwendig werden, weil der Betroffene nicht als Müßiggänger gelten will.

    Um nicht falsch verstanden zu werden: Ein Zurück zum generellen ­Nine-to-five-Job kann und darf es nicht geben. Aber die neue Flexibilität muss durch klare Vorgaben (Welches Arbeitsergebnis muss in welcher Zeit erbracht werden?) und eindeutige Regeln (Wann muss man für den Arbeitgeber erreichbar sein?) ergänzt werden. Nur dann werden alle Beteiligten glücklich mit ihr: der Chef, der jeweilige Beschäftigte – und die Kollegen.