Warum Eltern auf ihre Kinder gucken sollten – und nicht aufs Smartphone
Es gibt für Eltern immer wieder Momente, die sie als Meilensteine in der Entwicklung ihres Kindes erleben. Wenn es anfängt zu laufen, wenn es die ersten Wörter sagt, wenn es eingeschult wird – und schließlich, wenn es schwimmen kann. Das ist ein ganz wichtiger Moment, denn dann wird endlich die Angst kleiner, dass der kleine Sonnenschein in einem unbeobachteten Moment ertrinken könnte.
Denn das passiert leider viel zu oft. In Hamburg wurden allein in den vergangenen Wochen drei Kinder leblos aus dem Wasser gezogen und nur mit viel Glück reanimiert. Schwimmen lernen gehört für den Präsidenten der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) wie Schreiben- und Lesenlernen zum Großwerden. Ein „Grundrecht“, das jedem Kind zuteil werden sollte. Doch Schwimmunterricht steht bei Hamburger Schülern erst in der dritten und vierten Klasse verpflichtend auf dem Stundenplan. Dann sind die Kinder bereits neun bis zehn Jahre alt. Zu spät sei das, sagt die DLRG.
Die Schulbehörde hat kürzlich die Bilanz des Schwimmunterrichts gefeiert. Der Anteil an Grundschulkindern, die nachweislich schwimmen können, sei auf 87 Prozent gestiegen, frohlockten die Zuständigen. Doch diese Kinder schafften allein das Seepferdchen, nur 64 Prozent erreichten auch das Bronzeabzeichnen. Das Seepferdchen ist laut DLRG lediglich eine Motivation für die Kinder, um am Ball zu bleiben, als sichere Schwimmer könne man jemanden erst einstufen, wenn er das Abzeichen in Bronze haben.
Nun bemühen sich ja viele Eltern nach Kräften, ihren Kindern das Schwimmen noch im Kita-Alter beizubringen. Allerdings sind die Bedingungen dafür in den vergangenen Jahren nicht einfacher geworden. In vielen Schwimmschulen müssen die Kinder bis zu eineinhalb Jahre auf einen Platz für einen Kursus warten. Und teilweise müssen die Eltern dafür viel Geld bezahlen. Besonders die privaten Schwimmschulen sind teuer, auch wenn sie meist hervorragende Arbeit leisten. Das erklärt auch, warum die Kinder von Eltern aus finanziell besser gestellten Familien deutlich größere Chancen haben, schneller schwimmen zu können. Das soziale Gefälle in der Stadt hat darauf jedenfalls einen unübersehbaren Einfluss. Aber es sind nicht die langen Wartezeiten allein. Weil in immer mehr Familien beide Elternteile berufstätig sind und ihre Kinder auch die Nachmittage in der Kita verbringen, wird die Zeit knapp, die früher für Kurse vorhanden war. Welche Mutter, welcher Vater kann es sich neben dem Beruf noch erlauben, sein Kind monatelang zum Schwimmunterricht zu begleiten?
Wenn Familien dann gemeinsam ins Schwimmbad gehen, seien viele Eltern heute zu sorglos oder abgelenkt, hat man beim Schwimmbad-Betreiber Bäderland festgestellt. Viele ließen ihren Nachwuchs, obwohl er noch nicht schwimmen kann, ohne Schwimmflügel herumlaufen. Andere seien mehr mit ihren Smartphones beschäftigt und hätten dann kein Auge auf ihre Kinder.
Man kennt das auch aus vielen anderen Situationen im Alltag. Die Leute schieben die Kinderkarre und starren dabei auf ihr Handy, sie radeln und schreiben Mails dabei. Dabei entstehen viele gefährliche Situationen, aber im Schwimmbad sind sie besonders tückisch. Denn auch wenn viele meinen, die Bademeister seien für die Aufsicht zuständig, kann diese Verantwortung den Eltern niemand abnehmen. Den Moment, wenn das eigene Kind leblos im Wasser treibt, sollte niemand erleben müssen.