Die Hebammenversorgung in Hamburg muss dringend verbessert werden.

    Es gibt wenige Momente im Leben, die eine Frau in eine dermaßen unbekannte Ausnahmesituation bringen wie eine Schwangerschaft. Mit Glück hat sie eine Freundin, die schon Mutter ist und die ihr ganz viele Ängste nehmen kann. Für alle anderen ist die Hebamme in der Phase von Schwangerschaft und Geburt neben der Gynäkologin die wichtigste Ansprechpartnerin. Gute Hebammen geben der werdenden Mutter das gute Gefühl, dass sie alles richtig macht, sie stehen ihr mit Rat und Tat, ganz viel Sachverstand und Empathie zur Seite.

    Im Kreißsaal übernehmen sie wieder diesen wichtigen Part – der Gebärenden das Gefühl zu vermitteln, sie sei die tollste werdende Mutter der Welt. Aus Erfahrung: Man ist bereit, ihr zu glauben, obwohl man weiß, dass es Unsinn ist. Aber es gibt wohl selbst im Spitzensport keine besseren Motivatoren, als Hebammen es sind.

    Elisabeth Jessen
    Elisabeth Jessen © HA / A.Laible

    Unübertroffen ist aber der Wert einer Hebamme, wenn die junge Mutter die Klinik verlässt und zu Hause mit dem Neugeborenen zurechtkommen und ihren völlig veränderten Alltag neu in den Griff kriegen muss. Doch immer mehr Frauen in Hamburg suchen vergeblich nach Unterstützung in dieser wichtigen Zeit, weil die Rahmenbedingungen des Hebammenberufs immer schwieriger werden. Die Berufshaftpflichtversicherung ist immens teuer geworden, und Schichtdienst macht die Arbeit extrem anstrengend. Und weil Geburten nun mal zeitlich nicht exakt planbar sind und auch Kliniken händeringend Personal suchen, müssen Hebammen häufig mehrere Schwangere und junge Mütter gleichzeitig betreuen. Das Einkommen ist ebenfalls überschaubar. Sie müsse drei Hausbesuche machen, damit sie selbst einen Klempnerbesuch bezahlen könne, sagt eine Hebamme.

    Im Krankenhaus fühlen sich frischgebackene Mütter meist noch gut versorgt, problematisch wird es für viele im Anschluss. Nur mehr knapp jede zweite hat das Glück, dass eine Hebamme sie zu Hause aufsucht und sie im Wochenbett betreut.

    Ja, Wochenbett klingt wie ein Relikt aus dem vorletzten Jahrhundert. Doch auch wenn die Frauen dabei längst nicht mehr im Bett liegen, sondern recht schnell wieder mobil sind, haben die meisten ganz viele Unsicherheiten im Umgang mit ihrem Neugeborenen. Wie stillt man richtig, trinkt das Kind genug, wie oft muss man die Windeln wechseln, heilt der Nabel richtig? Eine Hebamme hilft und stärkt die Frauen ganz enorm.

    Trotzdem erfährt dieser uralte Beruf längst nicht die Wertschätzung, die er verdient. Die EU hat festgelegt, dass Hebammen ab 2020 akademisch ausgebildet sein müssen, weil ihr Aufgabenfeld so vielfältig geworden ist. Deutschland hinkt hier deutlich hinterher. Mit der Aufwertung der Ausbildung ist auch die Hoffnung verbunden, dass Hebammen besser bezahlt werden und ihr gesellschaftliches Ansehen steigt.

    Auch eine Idee des Hamburger Hebammenverbands sollte dringend weiterverfolgt werden: Nach dem Vorbild des Gesundheitskiosks könnte es in vielen Stadtteilen Hebammenzen­tren geben, die über alle Belange von werdenden Müttern beraten. So, wie es derzeit läuft, ist es für alle Frauen, die eine Hebamme suchen, ein Telefonmarathon mit ungewissem Ausgang. Mit den Zentren würde man vielleicht auch jene Frauen erreichen, die am häufigsten leer ausgehen – jene mit niedrigem sozialen Status. Gut ausgebildete Frauen schaffen es meist, sich Hilfe zu beschaffen, aber auch arbeitslose junge Mütter brauchen dringend jemanden, der ihnen in der Startphase hilft.