Bei aller Trauer über das Ausscheiden der deutschen Nationalmannschaft: Eine Tragödie geht anders.

Natürlich finde auch ich es sehr schade, dass die deutsche Nationalmannschaft nach nur zwei Wochen nicht mehr an der Weltmeisterschaft teilnehmen darf – anders wäre es schöner. Aber eine Katastrophe, eine Tragödie oder – wie manche meinen – gar eine schicksalhafte Wendung für das Vaterland, die quasi zwangsläufig gleich auch noch das Ende der Ära Merkel einläutet, sehe ich nicht.

Fußball ist nur ein Spiel, zu dem – und das müssen wir Deutschen vielleicht erst wieder lernen – verlieren dazugehört. Unsere Mannschaft hat uns in den vergangenen zwölf Jahren, in denen sie bei jedem (!) großen Turnier mindestens ins Halbfinale gekommen ist, extrem verwöhnt. Dazu der WM-Titel 2014 – ganz ehrlich, da muss man auch mal verlieren können. Ob nun in der Vorrunde, im Achtel- oder Viertelfinale, ist auch egal. Dank des frühen Ausscheidens können Selbstverständlichkeiten wie das Erreichen eines EM- oder WM-Halbfinales endlich wieder zu dem werden, was sie in Wahrheit sind: große, für viele Nationen einzigartige Erfolge. Freuen wir uns drauf!

Wer hat im Ernst mit dem zweiten Titel in Folge gerechnet?

Wer hat im Ernst damit gerechnet, dass Deutschland nach der großartigen WM 2014 erneut den Titel holt? Man muss auch mit dem Gegenteil umgehen können – was übrigens die deutschen Fußballspieler und ihr Bundestrainer, um das Gute im Schlechten nicht zu vergessen, eindrucksvoll bewiesen haben. Wie Joachim Löw oder Mats Hummels direkt nach dem peinlichen 0:2 gegen Südkorea eigene Fehler eingestanden und den Gegnern in der Gruppe fair gratuliert haben, das war bemerkenswert. So bitter der Abschied der Mannschaft von der WM war, so ehrenhaft und sauber war später das Verhalten der Deutschen.

Der Autor ist Chefredakteur des Hamburger Abendblatts
Der Autor ist Chefredakteur des Hamburger Abendblatts © HA | Andreas Laible

Ich gebe zu: Das alles lässt sich auch deshalb so leicht schreiben, weil der (vorerst) letzte Titel noch nicht so lange her ist, schlappe vier Jahre – und nicht 52 wie bei den Engländern. Wer 7:1 gegen Brasilien in einem Halbfinale gewinnen darf, darf auch mal gegen Südkorea in einem Vorrundenspiel verlieren. Und die Italiener oder Holländer wären selbst jetzt noch lieber in unserer Situation als in der eigenen.

Kann man aus dem WM-Aus etwas für sich selbst lernen?

Bleibt die interessante Frage, ob beziehungsweise was man aus dem Auftreten und Abschneiden der deutschen Fußballer für sein eigenes Leben lernen kann. Vielleicht das: Statistiken wie etwa Weltranglisten, Zahlen über Ballbesitz, Titel sind eben nur Statistiken. Fakten und Zahlen, die sich schlagen lassen von Emotionen, von Leidenschaft und Begeisterung. Das ist doch eine gute Botschaft: dass Erfolg bei allem anderen, was dazugehört, am Ende eine Sache des Kopfes und des Willens ist. Und dass es tatsächlich um das geht, was Reporter oder Trainer immer meinen, wenn sie bei einer Mannschaft von der fehlenden Körpersprache reden. Kopf hoch, Brust raus, lachen: Das signalisiert dem Gegner, aber auch jedem anderen, mit dem man sich messen kann oder muss, wie sehr man selbst an sich und seinen Erfolg glaubt.

Nicht umsonst wird Topmanagern in Führungsseminaren gerne gesagt, wie wichtig es ist, dass sie Ruhe, Souveränität und Selbstvertrauen ausstrahlen. Nach dem Motto: Wenn der Chef so cool ist, dann wird schon alles gut. Joachim Löw hat bis zuletzt versucht, diesen Eindruck zu vermitteln. Er hat die Spieler damit offensichtlich nicht erreicht. Ob das an ihm selbst oder jenen Fußballern lag, die er mit nach Russland genommen hatte, ist eine Frage, die andere zu klären haben.

Dazu vielleicht nur so viel: Der Joachim Löw, der jetzt ausgeschieden ist, ist derselbe, der vor vier Jahren Weltmeister wurde.