Die Umweltverbände überziehen – mit neuen Klagen schaden sie sich selbst.
Es gab Zeiten, da war das Leben für Umweltschutzverbände einfacher: In der Wirtschaft und Politik regierten noch Betonköpfe, die ökologische Fragestellungen für albern und überflüssig hielten. Zugleich war die katastrophale Lage der Nation schwer zu leugnen: Die Elbe galt vor 30 Jahren als ökologisch zerstört, die Wälder starben, und über den Städten hingen oft Smog-Glocken. In dieser Zeit gründeten sich die Umweltverbände und wuchsen zu einer mächtigen Bewegung – sie halfen, Luft, Wasser und Boden sauberer zu machen. Heute können wir in der Elbe wieder schwimmen, Smog ist für Jüngere ein Fremdwort, und das Waldsterben erklärte die grüne Bundeslandwirtschaftsministerin Renate Künast 2003 für gestoppt.
Die Erfolgsgeschichte ist so beeindruckend, dass sich die Nichtregierungsorganisationen selbst viele Themen genommen haben; manche Kritiker argwöhnen, sie hätten sich schon überflüssig gemacht. Zweifellos haben es die Umweltverbände schwerer als früher, in einer Aufmerksamkeitsökonomie Unterstützer und Spender zu gewinnen. Zwar gibt es mit dem Klimawandel, dem fortschreitenden Artensterben und der Versiegelung noch Themen – aber viele Klassiker der Ökobewegung sind längst Allgemeingut.
Die Erfolge der Vergangenheit prägen die Gegenwart. Sie zwingen die Verbände, neue Themen zu setzen, um im Gespräch zu bleiben, lauter zu trommeln und zu dramatisieren, um noch gehört zu werden, und radikaler zu agieren, um der Heldenrolle des Davids gegen Goliath gerecht zu werden.
So war der Kampf gegen die Atomenergie lange ein zentrales Anliegen der Verbände – nach dem Tsunami in Japan aber hat es Kanzlerin Angela Merkel über Nacht zu ihrer Politik gemacht. Die Organisationen mussten umschwenken und kämpfen nach dem Atomausstieg nun für den Kohleausstieg („Tschüs Kohle“). Zugleich hat sich das Engagement für bessere Luft vom Einsatz für Rauchgasentschwefelung und Katalysatoren auf die Straße verlagert: Umweltzone und Durchfahrtsverbote sind das Gebot der Stunde; es geht längst nicht mehr allein um die Luft vor Ort oder den Klimawandel, sondern um die Austreibung des Beelzebub, der mit freundlicher Unterstützung der Automobilindustrie heute plötzlich Diesel heißt.
Den Kampf um sauberes Wasser haben die Verbände ebenfalls erweitert – statt Kläranlagen fechten der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) und der WWF gegen die Elbvertiefung. Bislang mit Erfolg: Auf die Fahrrinnenanpassung, 2006 erstmals beantragt, wartet die Stadt bis heute.
Für die Umweltverbände könnten diese Siege aber zu Pyrrhussiegen werden. Der Gesetzgeber hat ihnen mit dem Verbandsklagerecht ein scharfes Schwert in die Hand gegeben, der inflationäre Gebrauch aber verwandelt die Verbände in Verhinderer und Verzögerer. Die Deutsche Umwelthilfe ist nicht nur berühmt für ihren Klageeifer gegen deutsche Kommunen, sondern auch als Abmahnverein berüchtigt. So setzen die Verbände langfristig ihren guten Ruf, den sie sich in Jahrzehnten erworben hatten, aufs Spiel. Autofahrer, die einst auf Umweltempfehlungen hin einen Diesel erworben haben, verstehen den Furor gegen ihre Fahrzeuge schon lange nicht mehr; auch die Politik reagiert zunehmend gereizt auf die Blockade wichtiger Infrastrukturprojekte. Die Umweltverbände sollten im Blick behalten, wie man Menschen mitnimmt, statt zu verschrecken: Verbote sind dafür denkbar ungeeignet.