Nicht alle Pfiffe sind rassistisch, so wie es der “Spiegel“ schrieb. Der DFB muss seine Kommunikation verbessern. Ein Kommentar.

Natürlich sind die Zuschauer, die beim Länderspiel am Freitag den Nationalspieler Ilkay Gündogan ausgepfiffen haben, keine Rassisten. Aber allein um den Unmut, dass zwei deutsche Fußballspieler in ihrer Gedanken- und Instinktlosigkeit einem Despoten aus der Heimat ihrer türkischstämmigen Familien die Ehre erweisen, geht es bei den Pfiffen von Zuschauerrängen nicht.

Wäre das so, dann müssten dieselben Zuschauer für viele andere Vorkommnisse ebenso auf die Straße gehen oder Pfeifkonzerte veranstalten: gegen AfD-Politiker, die das Assad-Regime in Syrien besuchen, gegen CSU-Politiker, die den ungarischen Rechtsausleger Orban empfangen, gegen Linke-Abgeordnete, die in Russlands Staatslenker Putin einen Heilsbringer sehen, und gegen alle Regierungsvertreter der Großen Koalition, die schon aus diplomatischer Gepflogenheit zum Kuscheln mit Herrschern neigen.

Inszenierung beim Bundespräsidenten war falsch

Tun sie aber nicht. Uns zeigt das alles nur: Die Pfiffe sind Ausdruck einer Unzufriedenheit, die nicht greifbar ist, aber sicher auch jenseits der Nationalmannschaft zu verorten ist. Bestenfalls liegt ein tiefes Bedauern über den Mangel an Patriotismus in Deutschland vor, wie das Wehklagen vermuten lässt, wenn nicht alle Nationalspieler inbrünstig die deutsche Hymne singen.

Pit Gottschalk
Der Autor ist Chef der zentralen Sportredaktion der Funke Mediengruppe © HA | Marcelo Hernandez

Schlimmstenfalls werden Urängste auf die Nationalspieler projeziert, dass Familien irgendwoher kommen und sich an den Vorzügen dieser Gesellschaft nach eigenem Gusto bedienen können – und man selbst außen vor bleibt. Die Grenze zum Rassismus wäre dann tatsächlich nur noch einen Schritt entfernt.

Weghören darf der Fußball aber ebenso wenig wie die Politik. Und schon gar nicht mit Basta-Befehlen die Debatte beenden, wie es DFB-Direktor Oliver Bierhoff versuchte. Wer auf den Stadiontribünen pfeift, ist auch Repräsentant unserer Gesellschaft. Deren Probleme gehen uns alle und insbesondere den DFB an, der so gerne Integration fördert. Dort heißt es: Man wisse nicht, was man noch tun solle. Wie wäre es mit einer Entschuldigung von Özil und Gündogan, mit Dialog statt Inszenierung beim Bundespräsidenten?

Deutschlands WM-Generalprobe gegen Saudi-Arabien

Deutschland ist Weltmeister! Nun ja, noch nicht ganz. Aber Thomas Müller kann sich auch über halbe Eigentore wie das 2:0 gegen Saudi-Arabien freuen wie ein Schneekönig
Deutschland ist Weltmeister! Nun ja, noch nicht ganz. Aber Thomas Müller kann sich auch über halbe Eigentore wie das 2:0 gegen Saudi-Arabien freuen wie ein Schneekönig © dpa
Nach Abpfiff war die Körpersprache eine andere – denn am Ende stand nur noch ein mageres 2:1
Nach Abpfiff war die Körpersprache eine andere – denn am Ende stand nur noch ein mageres 2:1 © dpa
In der Schlussminute vergaben die Saudis sogar noch die Riesenchance zum Ausgleich
In der Schlussminute vergaben die Saudis sogar noch die Riesenchance zum Ausgleich © Imago/MIS
14. Länderspiel, achtes Tor: Timo Werner (3.v.l.) brachte Deutschland gegen Saudi-Arabien in der 8. Minute in Führung
14. Länderspiel, achtes Tor: Timo Werner (3.v.l.) brachte Deutschland gegen Saudi-Arabien in der 8. Minute in Führung © dpa
Müller und Omar Hawsawi sorgten im Verbund dann für das 2:0 (43.)
Müller und Omar Hawsawi sorgten im Verbund dann für das 2:0 (43.) © Witters
Ist das auch die Startelf gegen Mexiko? In der Generalprobe gegen Saudi-Arabien durften zunächst Manuel Neuer (oben v.l.), Toni Kroos, Mats Hummels, Jonas Hector, Sami Khedira, Jerome Boateng sowie Joshua Kimmich (untern v.l.), Marco Reus, Julian Draxler, Thomas Müller und Timo Werner aufs Feld
Ist das auch die Startelf gegen Mexiko? In der Generalprobe gegen Saudi-Arabien durften zunächst Manuel Neuer (oben v.l.), Toni Kroos, Mats Hummels, Jonas Hector, Sami Khedira, Jerome Boateng sowie Joshua Kimmich (untern v.l.), Marco Reus, Julian Draxler, Thomas Müller und Timo Werner aufs Feld © Getty Images
Mesut Özil (l.) und Ilkay Gündogan erlebten die Nationalhymnen von der Bank aus
Mesut Özil (l.) und Ilkay Gündogan erlebten die Nationalhymnen von der Bank aus © Getty Images
Gündogan durfte in der zweiten Halbzeit auch noch aufs Feld – unter Begleitung von Pfiffen, aber auch vereinzeltem Beifall
Gündogan durfte in der zweiten Halbzeit auch noch aufs Feld – unter Begleitung von Pfiffen, aber auch vereinzeltem Beifall © Imago/Jan Hübner
Jérôme Boateng gab nach sechs Wochen Wettkampfpause sein Comeback
Jérôme Boateng gab nach sechs Wochen Wettkampfpause sein Comeback © Getty Images
Draxler gegen Saudi-Arabiens Yasser Al Shahrani (M.) und Abdullah Al Muaiouf
Draxler gegen Saudi-Arabiens Yasser Al Shahrani (M.) und Abdullah Al Muaiouf © dpa
"Nach dem Stern greifen" – die Botschaft der deutschen Fans an die ihre Nationalmannschaft in Leverkusen © dpa
Und so ein Pokal wäre natürlich auch nicht schlecht
Und so ein Pokal wäre natürlich auch nicht schlecht © dpa | Ina Fassbender
Bundestrainer Joachim Löw hat den fünften Stern schon aufgeperlt
Bundestrainer Joachim Löw hat den fünften Stern schon aufgeperlt © WITTERS | TimGroothuis
Auch DFB-Teammanagerin Maika Fischer blickt bereits gen Russland
Auch DFB-Teammanagerin Maika Fischer blickt bereits gen Russland © WITTERS | TimGroothuis
Eine weitere Pokal-Attrape
Eine weitere Pokal-Attrape © dpa | Marius Becker
Auch Saudis waren im Publikum
Auch Saudis waren im Publikum © dpa | Ina Fassbender
Multi-Kulit im deutschen Fanblock
Multi-Kulit im deutschen Fanblock © dpa | Ina Fassbender
Auch diese DFB-Anhänger sehen nur noch Sterne
Auch diese DFB-Anhänger sehen nur noch Sterne © dpa | Ina Fassbender
Stets up-to-date: Ein Supporter Saudi-Arabiens vor dem Anpfiff
Stets up-to-date: Ein Supporter Saudi-Arabiens vor dem Anpfiff © dpa | Ina Fassbender
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