Der Anmelderekord schafft Kapazitätsprobleme. Letztlich helfen nur neue Schulen.
Es ist gerade einmal zwei Jahre her, dass ein Positionspapier der Schulleiter der Hamburger Stadtteilschulen mächtig viel Staub aufwirbelte. Der Befund der Pädagogen lautete kurz gefasst: Wenn es so weitergehe, sei das Zwei-Säulen-Modell aus Stadtteilschule und Gymnasium gescheitert. Wenn der Trend zum bei Eltern so überaus beliebten Gymnasium anhielte, dann würden 2020 schon 70 Prozent eines Jahrgangs auf diese Schulform wechseln. Der traurige Rest sei für die Stadtteilschulen zu wenig zum Überleben.
Heute, nur zwei Schuljahre später, ist die Lage komplett anders. Die Stadtteilschulen können sich über einen Anmelderekord freuen: 47 Prozent der künftigen Fünftklässler wechseln im August auf die 58 Stadtteilschulen – gegenüber 53 Prozent, die auf 61 Gymnasien gehen. Das ist zunächst ein Erfolg für die Lehrer der Stadtteilschulen und eine Anerkennung ihrer Arbeit.
Möglich wurde die Trendwende nicht zuletzt auch, weil der Senat diese Schulform mit zusätzlichen Lehrern und kleineren Klassen massiv unterstützt hat. Und: Das Angebot der Stadtteilschulen, den Schülern ein Jahr länger bis zum Abitur Zeit zu geben, überzeugt offensichtlich zunehmend Eltern. Eine gezielte Werbekampagne mag auch einen Beitrag geleistet haben.
Kurz und gut: Der dramatische Hilferuf der Schulleiter aus dem Jahr 2016 hat Wirkung gezeigt. Damit sind die Probleme dieser jungen, gerade einmal acht Jahre alten Schulform jedoch keinesfalls vom Tisch. Ja, es wäre geradezu töricht, die Herausforderungen und Risiken kleinreden zu wollen.
Viele Stadtteilschulen stoßen mittlerweile an ihre Kapazitätsgrenzen. Aus Sorge, Eltern könnten sich doch für ein Gymnasium entscheiden, wenn sie ihr Kind nicht auf ihre Wunsch-Stadtteilschule schicken dürfen, versucht die Schulbehörde, möglichst viele Erstwünsche der Eltern zu erfüllen. Das hat schon in diesem Jahr dazu geführt, dass die besonders beliebten Standorte geradezu überlaufen sind. Wenn das pädagogische Konzept einer Schule nicht mehr umgesetzt werden kann, weil die Schule aus allen Nähten platzt, ist das Wachstum aber kontraproduktiv.
Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass die Diskrepanzen groß sind: Es gibt die bei Eltern sehr anerkannten und gut besuchten Großschulen mit sechs, sieben oder sogar acht Parallelklassen. Aber daneben existieren die kleinen Standorte, vielfach frühere Haupt- und Realschulen, die Mühe haben, Jahr für Jahr drei Klassen zu füllen. Anders ausgedrückt: Hier gibt es durchaus Kapazitäten. Nur: Eine einfache Umverteilung vom grünen Tisch aus würden viele Eltern zu Recht nicht akzeptieren. Hier bedarf es Überzeugungsarbeit. Manche Schule muss auch besser werden, um attraktiver zu sein.
Die größte Herausforderung dieser Schulform liegt jedoch auf einem anderen Gebiet. Jedes Jahr müssen 600 bis 800 meist frustrierte Gymnasiasten mit schwächeren Leistungen in Jahrgang sieben der Stadtteilschulen aufgenommen werden. Diese Schulen müssen auch fast alle jungen Migranten, die die internationalen Vorbereitungsklassen durchlaufen haben, in den Regelbetrieb integrieren. Häufig handelt es sich um Schüler, die nach wie vor Probleme mit der deutschen Sprache haben. Und als ob das nicht genug wäre, tragen die Stadtteilschulen auch die Hauptlast der Inklusion.
Der gewachsene Zuspruch der Eltern stärkt die Schulform, aber sie bedarf weiterhin der politischen Unterstützung. Und: Wenn der Trend anhält, helfen letztlich nur neue Schulen.