Er war so etwas wie das deutsche Urbiest. Riesig, dunkel, geheimnisvoll und gefährlich. Ja, der germanische Wald war vor 2000 Jahren so bedrohlich, dass selbst die eigentlich unbesiegbaren römischen Legionen sich nur ausnahmsweise hineintrauten. Und so groß, dass ein norddeutsches Eichhörnchen es problemlos bis zur Donau schaffte, ohne einmal den Boden zu berühren.

Abendblatt-Redakteur Sven Kummereincke
Abendblatt-Redakteur Sven Kummereincke © HA / A.Laible | Andreas Laible

Seit mindestens 1000 Jahren geht es allerdings deutlich bergab mit dem Wald. Die Nachfahren der schwertschwingenden Cherusker schwangen noch lieber die Axt – und holzten gnadenlos ab. Der Wald war schließlich böse (bevölkert nur von Hexen und Räubern), außerdem stand er im Weg. Statt Urwald gab es nun eine „Kulturlandschaft“.

Und auch den kärglichen Resten des deutschen Waldes versuchten wir den Gar­aus zu machen. Sogar in der Freizeit: Wir zertrampelten die seltenen Pflanzen, verscheuchten die wilden Tiere, verbrannten die Bäume beim wilden Lagerfeuer und attackierten das Laub mit saurem Regen. Doch jetzt tut die Natur, was Greenpeace schon immer prophezeit hat: Sie schlägt zurück. Der zahme Wald wird wieder zum wilden Biest.

Nach einer mit modernsten Methoden durchgeführten Internetrecherche ergibt sich ein dramatisches Bild: Da sind Tausende und Abertausende Wildschwein-Bestien, die uns Menschen attackieren. Neuerdings unterstützt von riesigen, blutrünstigen Wolfsrudeln. Und das Bundesamt für Naturschutz geht davon aus, dass bald auch noch Bären dazustoßen und unsere Wälder bevölkern.

Doch selbst wenn wir nicht zerfleischt werden, bleiben ausreichend Todesarten übrig: Borreliose (Zecken-Alarm!), Ersticken und Verbrennen (die Behörden warnen ausgiebig vor Waldbrandgefahr), Vergiftung (Pilze!) sowie Verhungern (wenn man sich märchenhaft verlaufen hat – wahrscheinlich wird man aber vorher doch zerfleischt, verbrannt oder vergiftet). Und als wäre das alles nicht schlimm genug, kommt jetzt auch noch Hamburgs Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation (was immer die damit zu tun haben mag) und warnt, dass man im Wald erschlagen werden kann! Nicht von Räubern, sondern wegen der Gefahr „unvorhersehbarer Astabbrüche“.

Der Wald ist erwacht, so viel ist mal sicher. Und er versteht keinen Spaß mehr. Ich rate daher dringend, die U 1 spätestens am Bahnhof Berne zu verlassen. Denn dahinter beginnt Hamburgs neue No-Go-Area: die Walddörfer!