Was haben der Umweltsenator, die Monopolkommission und der Mietenmove gemeinsam?

Ein Leser hatte kürzlich eine interessante Idee. Wir sollten doch, so schrieb er mir, beim Abendblatt jeden Sonnabend das „Ärgernis der Woche“ wählen. Ich gebe zu, ich zweifelte zunächst an der Umsetzung des Einfalls. Reicht der anfallende Unsinn wirklich für 115 Zeilen? Gibt es ausreichend Ärgernisse, die es verdienen, jede Woche durch den Kakao gezogen zu werden? Seit dieser Woche schwinden meine Vorbehalte.

Hamburg ist nicht nur Theaterme­tropole, sondern seit Donnerstag auch Zentrum des absurden Straßentheaters. Ältere Diesel müssen bald einen großen Umweg um die Max-Brauer-Allee und die Stresemannstraße machen und werden damit mehr Schadstoffe ausstoßen. Das nennt man in Hamburg Umweltschutz. Aber weil sich inzwischen das ganze Land, ja die halbe Welt über das Fahrverbot für ältere Diesel-Fahrzeuge, das im offiziellen Senatsdeutsch nur „Durchfahrtsbeschränkung“ heißen darf, lustig macht, bekommt Umweltsenator Jens Kerstan nur Bronze.

Agitprop: Man kann den Markt ja doof finden, aber...

Silber in der Kategorie „Ärgernis der Woche“ haben sich die Veranstalter des heutigen „Mietenmove“ verdient. Nicht weil ihre Ziele falsch wären – Demonstrationen gegen Wuchermieten, Verdrängung und für soziale und solidarische Wohnraumpolitik sind berechtigt. Aber Agitprop sollte auch auf einer Demo nicht alle Zusammenhänge vernebeln: „Das bedingungslose Vertrauen des Senats in den Markt hat sich als falsch erwiesen“, heißt es in dem Aufruf.

Man kann den Markt ja doof finden, aber die Situation am Wohnungsmarkt (sic!) hängt leider am Wechselspiel von Angebot und Nachfrage. Die derzeitige Not rührt weniger vom unzureichenden Angebot her – der rot-grüne Senat baut so viele Sozialwohnungen wie seit den 70er-Jahren nicht mehr –, sondern liegt vor allem an der großen Nachfrage. Und die hat eben auch mit der Zuwanderung aus dem Ausland zu tun.

Gold für die Monopolkommission

Die Veranstalter ziehen heute gegen hohe Mieten zu Felde – und sonst regelmäßig für offene Grenzen. Die Uni-Asten etwa sind dabei, der Hamburger Flüchtlingsrat („Gegen Abschottungspolitik. Gegen Abschiebungen“), der Rote Aufbau Hamburg („SPD tötet“) oder das Netzwerk Recht auf Stadt („Wir haben kein Flüchtlingsproblem, wir haben ein Wohnungsproblem!“). Hm. Im Aufruf zum Mietenmove heißt es: „Es ist unsere Stadt, und es muss etwas passieren!“ Der Miniaufruf wird zugleich auf Arabisch, Bulgarisch, Dari, Englisch, Farsi, Französisch, Kurdisch, Russisch, Spanisch und Türkisch veröffentlicht.

„Unsere Stadt?“ Mit diesem Verständnis wird die Wohnungsnot weiterwachsen. Trotzdem reicht es nur für eine Silbermedaille bei der Meisterschaft der Seltsamkeiten.

Gold kann es in dieser Woche nur für einen geben – die Monopolkommission: Die Gutachter empfehlen, die Buchpreisbindung abzuschaffen. Sie sei ein „schwerwiegender Markteingriff“, dem ein nicht klar definiertes Schutzziel gegenüberstehe. Nach Eigendefinition sitzen in der Kommission fünf Mitglieder, die über „besondere volkswirtschaftliche, betriebswirtschaftliche, sozialpolitische, technologische oder wirtschaftsrechtliche Kenntnisse und Erfahrungen verfügen müssen.“ Offenbar waren diese Kompetenzen gerade außer Haus.

Buchpreisbindung: Dieser Vorschlag gefährdet literarische Vielfalt

Der Vorschlag pflügt und mäht nicht nur die deutsche Verlagslandschaft um, sondern gefährdet die literarische Vielfalt und den Buchhandel insgesamt: Das ist keine Sterbehilfe, sondern ein Erschießungskommando. Die Monopolkommission begründet, die Buchpreisbindung verlangsame den Strukturwandel im stationären Buchhandel, sie könne ihn aber nicht unterbinden. Die Buchläden verlören kontinuierlich Marktanteile zugunsten des Onlinehandels.

Das ist doch einmal eine krude Argumentation nach dem Motto: „Du bist bald pleite? Dann musst du Strafe zahlen.“ Sogar die Versandbuchhändler kritisieren, „dass hier öffentliche Gelder für ein sogenanntes Gutachten verschwendet werden, dessen Ergebnis derart tendenziös und schwach begründet ist.“

Offenbar ist die Monopolkommission erst glücklich, wenn sich in den Innenstädten Handy-Shops an Spielhallen und Ein-Euro-Paradiese an Matratzenläden reihen. Bitter wird es dann, wenn die EU sich die hanebüchene Begründung der „Experten“ zu eigen macht.

* Hinweis: In der ursprünglichen Fassung hieß es, die Nachfrage habe "fast nur mit der Zuwanderung aus dem Ausland zu tun“. Diese Aussage war missverständlich und verkürzt. Sie bezieht sich auf die offizielle Statistik des Statistischen Amtes zur Bevölkerungsentwicklung: Zwischen 2014 und 2016 wuchs die Bevölkerung in Hamburg von 1,746 auf 1,787 Mio Einwohner. In diesem Zeitraum zogen knapp 7500 Deutsche mehr fort als zu, zugleich zogen im Saldo aber knapp 62.000 Ausländer zu. Dies kann erklären, warum die Wohnungsbauoffensive noch nicht greift. Die Formulierung wurde von manchen missverstanden und in der taz zur Überschrift „ Ausländer Schuld an hohen Mieten?“ skandalisiert. Ein solche Intention liegt mir fern, eine Schuldzuweisung lehne ich strikt ab und bringt die Debatte nicht weiter.