In Hamburg hat Titz plötzlich beste Chancen. Auch die Bremer suchen ihre Profitrainer stets beim Nachwuchs.
Wenn in Bremen ein Trainerwechsel ansteht, schauen die Verantwortlichen bevorzugt in der Nachwuchsabteilung nach geeigneten Kandidaten. Viktor Skripnik, Alexander Nouri und zuletzt Florian Kohfeldt trainierten allesamt die Werder-Junioren, bevor sie zu den Profis aufstiegen – genau wie der ewige Thomas Schaaf früher auch.
Beim HSV war dieses Muster in der Bundesliga-Vergangenheit eher die Ausnahme, auch wenn sich durchaus positive Beispiele finden. Unvergessen, wie Felix Magath (erst Trainer der Amateure, dann Assistent von Benno Möhlmann) 1995/96 den HSV von Platz 17 noch auf Europacup-Platz fünf führte. Thomas Doll (übernahm 2004 von Klaus Toppmöller) führte die Hamburger 2006 sogar bis in die Champions League. Weniger erfolgreich verlief die Amtszeit von Joe Zinnbauer, der als U-23-Trainer im September 2014 Mirko Slomka beerbte, von 23 Spielen aber nur sechs gewinnen konnte und im März 2015 schon wieder entlassen wurde.
In der Regel jedoch verpflichtete der HSV eher einen anderen Trainertypus von außen, um neue Impulse zu setzen, wie es zuletzt beim Arbeitertrainer Bernd Hollerbach nach dem eher kopfgesteuerten Markus Gisdol der Fall war.
Insofern ist die Personalie Christian Titz eine kleine Sensation für den HSV. Ein Trainer, der ab 2015 erst zwei Jahre die U 17 trainiert und danach die U 21 in der Regionalliga an die Spitze führt, bevor er den tot geglaubten Profis wieder neues Leben einhaucht, lässt die HSV-Fans davon träumen, dass die Ära der Ablöse- und Abfindungszahlungen – Markus Gisdol und Bernd Hollerbach belasten noch bis Sommer 2019 das Gehaltskonto, sofern sie nicht woanders unterkommen – ein Ende haben könnte. Zumal Titz die Hoffnungen derer nährt, die von einem HSV-Trainer erwarten, dass dieser einen klaren Plan hat, wie a) junge Spieler zu fördern sind, b) ein vorzeigbarer und erfolgreicher Fußball zu entwickeln ist – und c) ein realistisches Gehalt für seine Arbeit erhält.
Klar ist: Sollte Titz tatsächlich das Fußballwunder Klassenerhalt gelingen, führt kein Weg an einer Weiterbeschäftigung vorbei. Aber längst hat der Mannheimer reichlich Argumente dafür gesammelt, ihm in der Zweiten Liga auch das Unternehmen Wiederaufstieg anzuvertrauen, nicht nur durch seine Arbeit auf dem Platz, sondern auch auf medialer Ebene. Sehr wohltuend, wie Titz beispielsweise im ZDF-„Sportstudio“ den Teamgedanken im Trainerstab hervorhob.
Auffällig aber auch, wie Alleinvorstand Frank Wettstein zuletzt die Arbeit des Cheftrainers lobte („Die Fans können sich mit dem neu eingeschlagenen Weg mit vielen jungen Kräften identifizieren“). Bernhard Peters, Direktor Sport, ist sowieso ein Förderer von Titz und würde mit dem 47-Jährigen gerne weiterarbeiten.
Wettstein, Peters, Titz – hat sich hier eine neue Allianz gebildet? Schließlich gilt es nicht nur, über die Zukunft auf dem Trainerposten zu entscheiden. Auch zwei weitere wichtige Positionen sind noch ungeklärt. Es wäre nicht verwunderlich, würde Peters die Hand heben, wenn es um den Posten des Sportvorstands geht. Schließlich wäre ein Neueinsteiger ihm gegenüber weisungsbefugt. Das kann nicht sein Ziel sein.
Abzuwarten bleibt auch, ob Wettstein, der bisher einen dauerhaften Verbleib als Vorstandsvorsitzender ausgeschlossen hat, nicht doch Gefallen daran findet, an einer Schaltstelle der Macht zu sitzen. Dazu müsste er jedoch noch reichlich Überzeugungsarbeit im Aufsichtsrat leisten, um eine Mehrheit für sich zu gewinnen.
Zu hoffen bleibt, dass der HSV endlich aus den Fehlern der Vergangenheit lernt und Titz nicht gleich mit einem längerfristigen Vertrag ausgestattet wird. Wer von seiner Arbeit überzeugt ist und den HSV als Riesenchance zum beruflichen Aufstieg begreift, muss auch bereit sein, einen Ein-Jahres-Vertrag zu unterschreiben, wenn es sein muss, inklusive Erfolgsoption. Und wo wir gerade bei Wünsch-dir-was sind: Ganz stark wäre es, jetzt schon ein, zwei Trainertalente als potenzielle Nachfolger eines künftigen Cheftrainers Titz aufzubauen.