Hamburgs Airport ist Glücksfall und Ärgernis zugleich. Wie geht es weiter?
Was kann ich den Hamburgern zumuten? Das war eine der zentralen Fragen, die sich Olaf Scholz in der Endphase seiner Zeit als Bürgermeister gestellt hat. Dabei ging es ihm um neue Bauprojekte, aber auch und immer wieder um den Flughafen. Der ehemalige Senatschef wusste, dass die Diskussionen um Fuhlsbüttel mit weiter steigenden Passagierzahlen und Verstößen gegen Start-und-Lande-Verbote in den späten Abendstunden anhalten würden. Dass dann noch Flugzeuge dazukommen, die beim Anflug Löcher in die Dächer von Häusern reißen (das Abendblatt berichtete), macht die Lage sicher nicht einfacher.
Wer fair mit dem Flughafen umgehen will, muss dennoch eine Einerseits-andererseits-Geschichte erzählen. Einerseits ist es für viele Hamburger ein Vorteil, einen Airport mitten in der Stadt zu haben, den man inzwischen auch gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen kann. Andererseits leiden immer mehr Menschen unter dem Lärm, den die Maschinen beim Landen und vor allem beim Starten machen. Wer etwa am Montag in Alsterdorf versuchte, vor 22.30 Uhr im eigenen Bett zur Ruhe zu finden, scheiterte: Im Fünf- bis Zehn-Minuten-Takt flogen die Maschinen so tief vorbei, als würden sie auf einer der Terrassen an der Alsterdorfer Straße landen wollen. Dabei steigt die Zahl derjenigen, die mit dem Lärm leben müssen, nicht etwa wegen sich erhöhender Flugbewegungen. Tatsächlich gab es davon im vergangenen Jahr weniger als im Jahr 2000, nämlich rund 160.000. Aber in den von Fluglärm betroffenen Regionen wohnen wegen der Verdichtung der Stadt immer mehr Menschen. Deshalb werden die Proteste aus dieser Ecke eher größer als kleiner werden – insbesondere, wenn die Nachtflugbeschränkungen nicht eingehalten werden.
Einerseits muss man Flughafen und Fluggesellschaften zugutehalten, dass sie den extremen Anstieg der Passagierzahlen – von rund 10,6 Millionen im Jahr 2005 auf 17,6 Millionen im vergangenen Jahr – so gut managen, dass es keine Auswirkungen auf die Zahl der Flugbewegungen gegeben hat. Die Flugzeuge sind schlicht größer geworden, können mehr Menschen befördern. Andererseits verursachen größere Maschinen im Zweifel auch mehr Lärm, führen mehr Passagiere zur Verschärfung der Verkehrs- und Parkplatzsituation rund um den Flughafen.
Und so kann man munter weitermachen: Einerseits reduziert ein Stadtflughafen wie der Hamburger Anfahrtswege, weil die Passagiere nicht von Kaltenkirchen aus in die City fahren müssen. Andererseits ist es immer wieder abenteuerlich zu beobachten, wie tief die Maschinen über dicht besiedelte Wohngegenden fliegen, als gebe es eine Garantie dafür, dass nichts passieren kann.
Einerseits macht Fuhlsbüttel Hamburg für gut verdienende Vielflieger und international operierende Un- ternehmen interessant. Andererseits lockt der Airport ausgerechnet die Klientel an, die dafür sorgt, dass die Zahl der Passagiere weiter steigt.
Was kann man den Hamburgern zumuten? Die Frage, die sich Olaf Scholz gestellt hat, war richtig, und sie ist schwer zu beantworten. Denn am Ende geht es einerseits um die Gesundheit, andererseits um komfortable Reisemöglichkeiten von jeweils Hunderttausenden Hamburgern. Das eine wird mit dem anderen kaum in Einklang zu bringen sein – und der Flughafen deshalb ein Thema, das künftig in der Stadt so hitzig diskutiert werden dürfte wie kaum ein anderes. Kleiner Trost: In Berlin wären sie froh, wenn sie unsere Probleme hätten ...