Flaute in der Branche: Hamburg und die Energiewende benötigen die Windkraft.

Es ist ein Vierteljahrhundert her, da gehörte das Windrad zu einer besseren Welt wie der Regenbogen und die Sonnenblume: Es war eine Ikone des ökologischen Fortschritts, das Versprechen auf eine bessere Zukunft. Inzwischen ruft jeder Windpark, jedes Rotorblatt wütenden Bürgerprotest hervor. Verspargelung der Landschaft, Infraschall, Vogelschlag lauten die Stichworte. Im Wahlkampf in Schleswig-Holstein avancierte die Windenergie sogar zum Spitzenthema. Wie sehr sich die Zeiten ändern, hat der jüngste Kompromiss der Jamaika-Koalition in Kiel zur Windkraft gezeigt. Da beklagte der BUND die verkürzten Abstände zu Naturschutzgebieten und kam zum Schluss: „Die Energiewende ist kein Selbstzweck.“

Nun hört man derlei Weisen in der Hansestadt von Naturschützern eher selten, aber den Imagewandel der Windenergie spürt man auch hier. Hamburg war einst angetreten, Europas Windenergie-Hauptstadt zu werden. Die Krise aber hat die hiesigen Unternehmen nicht verschont. Aus vermeintlichen Jobmotoren sind Sanierungsfälle geworden. Nach Berechnungen der Handelskammer sind in Hamburg rund 1000 Arbeitsplätze allein im vergangenen Jahr weggefallen. Die Krise hat auch die großen Firmen getroffen: Senvion und Nordex müssen massiv Stellen streichen; Siemens verlegte nach der Fusion seiner Windsparte mit Gamesa den Sitz für Onshore-Windkraft (Anlagen auf dem Festland) nach Spanien.

Der Auslöser für die Krise ist der dramatische Preisverfall für Windstrom. Was politisch gewollt war, um die Kosten der Energiewende einzugrenzen, trifft die Hersteller hart: Wer den niedrigsten Preise für Windstrom verlangt, bekommt den Zuschlag. Das erhöht den Preisdruck; zugleich halten sich Investoren wegen politischer Unwägbarkeiten zurück. Wurden 2016 noch Onshore-Windräder mit einer Leistung von 4600 Megawatt neu gebaut, rechnen Analysten im Jahr 2019 nur noch mit etwa 2500 Megawatt. Sogar einen Einbruch auf 1100 Megawatt halten sie für möglich.

Sollte es dazu kommen, droht der deutschen Windenergiebranche das Schicksal der Solarindustrie: Sie erlebte durch die Subventionen eine Scheinblüte und ist heute fast verschwunden. Das darf sich bei der Windenergie, die als Hightech-Branche eine Schlüsselindustrie ist, nicht wiederholen.

Die Handelskammer hat völlig zu Recht darauf verwiesen, dass eine starke Industrie einen breiten Heimatmarkt benötigt. Seit Jahren aber lähmt ein politisches Klein-Klein, ein Kirchturmdenken in den Bundesländern und ein unzureichendes Management der „Energiewende“ die Branche. Dabei machen die Dänen den Deutschen vor, wie es funktioniert: Sie haben früher begonnen, weniger gestritten und konsequenter Kurs gehalten: 43,6 Prozent des Stromverbrauchs decken unsere nördlichen Nachbarn durch Windkraft, sie haben längst eine funktionierende Wertschöpfungskette bei erneuerbaren Energien geschaffen.

Das dänische Beispiel muss Deutschland zu denken geben. Die Energiewende, 2011 als Konsens begonnen, läuft unrund – weder gibt es eine ausreichende Netzinfrastruktur noch funktionierende Speichertechnologien. Und der Ehrgeiz beim Klimaschutz ist erlahmt. Wenig spricht dafür, dass sich das so rasch ändert. Bevor die Deutschen über die Zukunft der nationalen Energieversorgung streiten, debattieren sie lieber mit Verve über das Windrad um die Ecke.

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