G 20 hätte die Karriere von Olaf Scholz fast beendet – nun beginnt sie dort neu. Die Metamorphose des SPD-Politikers.
Was für eine Ironie des Schicksals. Es ist gerade acht Monate her, da drohten die erschütternden Gewaltexzesse beim G-20-Gipfel in Hamburg eine politische Karriere zu zertrümmern. Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) hatte im Vorfeld des Treffens der Mächtigen den Hamburgern eine Sicherheitsgarantie gegeben – und sie nicht einlösen können. Anarchisten und Extremisten zogen eine Schneise der Verwüstung durch die Hansestadt, und es dauerte mehrere quälend lange Tage, bis Scholz endlich bei den Bürgern um Entschuldigung bat. In jenen heißen Juli-Tagen galt das Undenkbare plötzlich als denkbar: dass Scholz den G-20-Gipfel politisch nicht überleben würde. Der ehrgeizige Bürgermeister war am Tiefpunkt seiner sieben Jahre im Hamburger Rathaus angekommen.
Acht Monate später grüßt der 59-Jährige vom Gipfel der Macht. Und wie es der Zufall so will, treffen sich wieder die 20 großen Industrie- und Schwellenländer. Olaf Scholz weilt als neuer deutscher Finanzminister beim Treffen der G-20-Ressortchefs in Buenos Aires. Die Lage ist brisant: Das Weiße Haus hat den US-Präsidenten Donald Trump nicht gemäßigt, sondern zuletzt noch radikalisiert. Trump setzt die Axt an die Nachkriegsweltordnung und den freien Handel an. Es gibt einfachere Zeiten, um als Finanzminister zu beginnen.
Erst seit Donnerstag ist Scholz Ressortchef in Berlin, aber es wirkt, als sei er schon lange Bundesfinanzminister: Eindringlich warnt er vor einem Handelskrieg mit den USA und mahnt: „John Wayne ist kein Vorbild für die Politik.“ Und denkt Plan B gleich mit: Er fordert eine stärkere Besteuerung der Internetkonzerne wie Google, Facebook oder Amazon, die sich bislang legal einer fairen Besteuerung in Europa entziehen können.
Scholz bringt sich als Merkel-Rivale in Stellung
Das G-20-Treffen ist sein zweiter Auftritt als Staatsmann. In Frankreich warb Scholz zuvor zwar für Europa, vermied aber allzu große finanzielle Zugeständnisse. Vielmehr stellte der Sozialdemokrat klar, Deutschland wolle und könne nicht für alle zahlen. Der ehemalige Bürgermeister bewegt sich sicher auf internationalem Parkett, er ist professionell von der Bürgersprechstunde auf die Weltbühne gewechselt.
Eine Metamorphose der Macht: Zuletzt waren ihm die Probleme von Marmstorf oder Sasel etwas klein geworden, nun bewegt ihn die Globalisierung, die Rettung des freien Welthandels oder eine Renaissance von Europa. Olaf Scholz denkt längst in diesen großen Themen. Er brauchte damit nicht einmal eine Woche, um zum starken Mann in der SPD zu werden – und damit zum ersten Herausforderer einer mitunter müde wirkenden Kanzlerin.
Scholz steht für solide Finanzen
Zugleich baut er das Finanzministerium zum Gegenkanzleramt auf: Es lebt den alten Führungsgrundsatz, wonach sogenannte A-Leute A-Leute holen – und B-Leute C-Leute. Seine Personalentscheidungen zeigen, dass der Profi Scholz Profis will: Neben seinem alten Vertrauten Wolfgang Schmidt, der Hamburg als Chef der Landesvertretung in Berlin noch fehlen wird, hat Scholz weitere Hochkaräter zu Staatssekretären gemacht: Er holt den Co-Chef der Investmentbank Goldman Sachs in Deutschland, Jörg Kukies, neu und den langjährigen Staatssekretär Werner Gatzer zurück.
Die Botschaft dahinter lässt aufhorchen: Olaf Scholz steht wie sein Vorgänger Wolfgang Schäuble für die schwarze Null – und sucht die Kompetenz von Bankern. Über diesen Finanzminister wird sich nicht nur die Partei, sondern auch die Republik noch wundern.