Die Mittelschicht flüchtet aus Hamburg, weil sie die Mieten nicht bezahlen kann.

Maximal ein Drittel seines Nettoeinkommens sollte ein Haushalt für die Miete ausgeben – diese Regel ist so bekannt wie sinnvoll. Dass nach einer aktuellen Studie der Haspa in Hamburg bereits 45 Prozent der Mieter die Hälfte oder mehr ihres Einkommens dem Vermieter (inklusive Nebenkosten) überweisen, muss deshalb alarmieren. Um den Fakt bildhaft darzustellen: Einer Familie mit zwei Kindern, die im Monat netto 3000 Euro zur Verfügung hat, bleiben nach Abzug der Miete 1500 Euro auf dem Konto. Davon müssen Lebensmittel, Kleidung, Urlaub, Autoreparaturen und vieles mehr bezahlt werden – dies kann man zumindest als ein äußerst ehrgeiziges Unterfangen bezeichnen.

Zur Klarstellung: In dem Beispiel sprechen wir nicht von einer Ausnahmeerscheinung. Es handelt sich dabei um eine Familie aus der von der Politik gerne zitierten und umworbenen Mittelschicht. Ein Elternteil arbeitet ganztags, der Partner halbtags – das Kindergeld ist übrigens mit eingerechnet. Und genau diese Mittelschicht kann sich Wohnen in Hamburg – setzt man Kriterien der Vernunft an – nicht mehr leisten. Denn neben den täglichen Ausgaben müssen der Polizist, die Friseurin, die Verkäuferin, der Bäcker auch noch für das Alter vorsorgen – vom Rest, der am Ende des Monats übrig bleibt. Das Problem: Es bleibt nichts übrig.

In Metropolen wie Hamburg, München, Stuttgart oder Frankfurt am Main ist diese Entwicklung besonders dramatisch. Wer kann sich Wohnen in diesen Großstädten noch leisten? Selfmade-Millionäre und wohlhabende Erben? Ja! Menschen, die – oft unverschuldet – am unteren Ende der Gesellschaft leben und die Miete vom Staat bezahlt bekommen? Ja! Die breite Mittelschicht? Nein!

Eine der Konsequenzen kann man werktags am Hamburger Hauptbahnhof beobachten: Menschenmassen, die sich morgens aus immer längeren Zügen schieben und abends wieder in ihre entfernten Wohnorte im Umland fahren. Denn dort kann die Mittelschicht noch Wohnungen und Häuser bezahlen. Blickt man nach London, Paris oder Barcelona, dann wird klar: Hamburg steht erst am Anfang einer nachdenklich machenden Entwicklung: Denn während an der Elbe Anfahrtswege von einer Stunde die Regel sind, benötigen Arbeitnehmer in anderen europäischen Metropolen im Schnitt bereits zwei Stunden und mehr.

Nun kann man der Hamburger Politik nicht vorwerfen, dass sie dieses Problem nicht erkannt hat. Es werden so viele Wohnungen wie lange nicht gebaut – und auch die Mietpreisbremse geht zumindest in die richtige Richtung. Aber dass die Mittelschicht aus Hamburg vertrieben wird, können auch diese Maßnahmen nicht verhindern. Ein Immobilienmarkt, auf dem Kaufpreise und Mieten Höhen erreichen, die man als irrsinnig bezeichnen muss, ist kaum zu bändigen, will man das Prinzip der Marktwirtschaft erhalten.

So skurril es klingt: Hamburgs Mittelschicht zahlt den höchsten Preis aller Bevölkerungsgruppen für die zunehmende Attraktivität der Hansestadt. Denn eine der schönsten Metropolen Europas, die mit der Elbphilharmonie nochmals einen weltweiten Bekanntheitsschub erfahren hat, lockt eben mehr vermögende Menschen an. Zum einen Wohlhabende, die sich hier niederlassen, oft ihren Ruhestand genießen möchten. Zum anderen Spekulanten, die am Wohn-Wahnsinn mitverdienen wollen. Beide haben eines gemeinsam: Sie treiben die Immobilienpreise und Mieten weiter in die Höhe – und die arbeitende Mittelschicht aus der Stadt.