Unmut auf den Tribünen, Hass in den Kurven – die Stimmung in den Stadien kippt.

Es ist schon mehr als nur bemerkenswert, was in diesen Tagen in deutschen Fußballstadien so vor sich geht. Auf den ersten Blick haben die Vorfälle nichts miteinander zu tun, aber sie zeigen eine sich wandelnde Grundhaltung. Da besetzen Fans in Frankfurt (friedlich) den Platz und werfen später tausende Tennisbälle aufs Feld – aus Protest gegen Montagsspiele. Da schreien Fans in Hannover gegen das Präsidium, aber nicht für die eigene Mannschaft, die prompt verliert – und der Sportchef bepöbelt später das eigene Publikum. Da pfeifen die Hoffenheimer das eigene Team aus – und provozieren einen Wutanfall ihres Trainers. Und da setzen HSV-Fans im Bremer Weserstadion Fackeln und Raketen als Waffen gegen Zuschauer und Spieler ein – und machen auch den Blauäugigsten klar, dass das Gewaltproblem längst in den Fußball zurückgekehrt ist.

Es gibt keinen Club im Profifußball, der sich nicht in ständigen, mehr oder minder großen Auseinandersetzungen mit Ultra-Gruppierungen befindet. Das ist auch in vermeintlichen Heile-Welt-Standorten wie Freiburg und sogar Heidenheim der Fall. Aber der Unmut über die Entwicklung des Fußballs hat auch die Haupttribünen erreicht. Zwischen Vereinen und Fans knirscht es immer lauter – oder sollte man sagen: zwischen Unternehmen und Kunden?

Letztlich ist das die Kernfrage, die es zu beantworten gilt. Die DFL, also die Deutsche Fußball Liga, hat das offenbar längst getan. Deren Geschäftsführer Christian Seifert hat sie in seinem Vorwort zum „DFL Report 2018“ gegeben – verpackt in eine vermeintliche Banalität. Er schreibt, dass sportlicher Erfolg unabdingbare Voraussetzung für eine solide wirtschaftliche Basis sei. Das Ziel ist also wirtschaftlicher Erfolg, das Mittel zum Zweck ist der Sport – und eben nicht umgekehrt.

Und das ist genau der Punkt, an dem eine weitere Eskalation fast unvermeidlich scheint. Die Frage lautet: Wem gehört der Fußball? Eine Zeitlang schien es, als ob das Wandern auf dem schmalen Grat gelingt. Mit weitgehend friedlichen Ultras, die als bunte Stadionbeschallung für nette Bilder sorgten; mit zahlungskräftigen „Normal“-Fans, die Tickets, Trikots und überteuertes Bier kauften und/oder via Sky-Abonnement die Maschinerie auf immer höheren Touren laufen ließen.

Mittlerweile ist die Schieflage unübersehbar. Befördert durch immer absurdere Vermarktungsblüten, obszöne Spielergehälter und streikende Profis, die ihren Vereinswechsel erzwingen wollen, macht sich eine „Dagegen-Haltung“ breit, erst recht, wenn es um die 50+1-Debatte geht. Die Stimmung wird allgemein aggressiver und der gewaltbereite Teil der Ultras wird größer – selbst bei vermeintlich „anderen“ Vereinen wie dem FC St.Pauli, der auch lieber sein Image pflegt, statt das Problem offen zu thematisieren.

Die Kommerzialisierung ist natürlich keine Rechtfertigung für Gewaltakte. Aber je ungebremster sie voranschreitet, desto eher werden sich auch bisher Gemäßigte entweder abwenden oder radikalisieren.

Die Clubs müssen dringend umdenken. Wer seine Seele zu verkaufen bereit ist, um mal ein Champions-League-Halbfinale zu erreichen, hat nichts verstanden. Ja: Englische Clubs sind viel erfolgreicher als deutsche. Aber englische Fans beneiden die deutschen. Noch zurecht.