Wenige Zuschauer, das Fernsehen diktiert alles – die Winterspiele belegen, dass das IOC auf dem falschen Weg ist.
Die Olympischen Spiele sind vor zwei Wochen als Raumschiff in Südkorea gelandet. Das Internationale Olympische Komitee mutet ja tatsächlich wie ein fremder Planet an, von dem aus Gesandte ausströmen und alle zwei Jahre an wechselnden Orten haltmachen. Für 17 Tage von der Eröffnungs- bis zur Abschlussfeier schafft das IOC dann die Illusion einer besseren Welt.
Am Sonntag erlischt in Pyeongchang das Olympische Feuer, IOC-Präsident Thomas Bach wird wie bei jeder Schlusszeremonie dem Ausrichter seinen Dank aussprechen, die einigende Kraft Olympias preisen. Für gewöhnlich will sich das IOC ja nicht an einem politischen Diskurs beteiligen, sondern Besucher im Megastore Geld für Maskottchen Soohorang ausgeben sehen. Aber wo, wenn nicht in Südkorea, 80 Kilometer von der Grenze zum verfeindeten und seit fast 70 Jahren im Kriegszustand befindlichen nördlichen Bruder, könnte Olympia mehr von politischer Symbolik überlagert werden?
Die Fernsehkameras haben emotionale Eindrücke in die Welt übertragen: Bilder von glücklichen und enttäuschten Sportlern, von Gold, Silber und Bronze, vor allem aber von Fairness und Respekt. Aber wer kann sich in ein paar Tagen daran erinnern, wie Laura Dahlmeier ihre Goldmedaillen gefeiert hat? Was von diesen Spielen hängen bleibt, sind das Einlaufen der koreanischen Athleten aus Nord und Süd in das Olympiastadion, die Spiele des gemeinsamen Frauen-Eishockeyteams. Oder Nordkoreas Cheerleader in der Eishalle und der Besuch von Kim Jong-uns Schwester zur Eröffnung.
Nur: Ob Olympia sich in diesen Momenten der Propaganda des nordkoreanischen Diktators als nützlich erwiesen hat oder Wegbereiter für eine historische Annäherung beider Staaten ist, kann erst das weitere Vorgehen von Kim Jong-un und von Südkoreas Präsidenten Moon Jae-in beantworten.
Dass Olympia aber zur Lösung des Korea-Konflikts am Ende beigetragen haben könnte, dürfte in der Kosten-Nutzen-Rechnung des IOC ein wichtiger Posten gewesen sein. Dessen Ansehen in der Welt ist arg ramponiert, die Menschen zweifeln an den hehren Zielen der olympischen Bewegung. Korruption und mangelhafter Kampf gegen Doping, Machtspiele und Geldgier haben das Vertrauen in der Bevölkerung schwinden lassen. Ein hausgemachtes Problem.
Es fehlt das Verständnis für den Umgang des IOC mit dem russischen Staatsdoping sowie für die Vergabe der Winterspiele nach Sotschi, Pyeongchang und – noch viel abstruser – 2022 nach Peking. Was den Austragungsort betrifft, äußern die Athleten kaum kritische Worte: Sie fühlen sich selbst dann wohl, wenn die Küchenzeile ihrer Unterkunft im Olympischen Dorf mit einer Plastikfolie geschützt wird, damit spätere Bewohner keine Schäden vorfinden. Aber die Wege sind kurz, der Transport funktioniert, und die Wettkampfstätten entsprechen höchsten Anforderungen – zu schade, dass es für viele von ihnen nach dem Abbauen der fünf Ringe kaum mehr Verwendung gibt.
Noch vor den letzten Wettbewerben steht fest, dass Olympia aus Südkorea keine Wintersportnation machen wird. Es fehlt an Tradition, an Begeisterung für andere Sportarten als Shorttrack und Eisschnelllauf. Die Medaillenvergabe auf der Medals Plaza erleben die Athleten in trauriger Einsamkeit: Die anwesenden Zuschauer könnten häufig genug im Anschluss die Heimreise in einem einzigen Bus antreten. Beim Skispringen und Biathlon blieben die Tribünen halb leer; Freiluftwettbewerbe in die Abendstunden zu legen, wenn der Wind bei eisigen Temperaturen Gesichter und Hände erfrieren lässt, belegt zudem, dass Zuschauer nur noch Staffage sind und das IOC die Milliarden aus der TV-Vermarktung allem überordnet. Das Geschäft muss laufen, das ohnehin dürftige Olympia-Gefühl wird sich in Pyeongchang schon sehr bald verflüchtigt haben.
Immerhin: 2026 möchte das IOC in eine traditionelle Wintersportregion zurückkehren; das Schweizer Sion, Stockholm, Calgary und Sapporo in Japan wollen sich bewerben. Bleibt zu hoffen, dass das Raumschiff bald wieder auf Kurs kommt, wenn es am Sonntag in Pyeongchang abgehoben hat.