In manchen Stadtteilen werden offen Drogen gehandelt – Zeit zu handeln.

Wer durch das Schanzenviertel geht, trifft mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Drogendealer. An warmen Abenden gleicht der Gang durch den Florapark, an der Roten Flora vorbei oder durch den Schanzenpark einem Spießrutenlauf. Passanten werden mit dem Sprüchlein „You want some?“ verfolgt und meterweit gestalkt. Die Dreistigkeit der vornehmlich schwarzafrikanischen Dealer und ihre feste Verankerung im Straßenbild mag auf viele inzwischen „normal“ wirken. Das ist es aber nicht und sollte es auch nicht sein.

Inzwischen hat die Dealerszene die Stadt aufgeteilt wie einen Kuchen: Wer kiffen möchte, geht in die Schanze; wer koksen will, der sucht den Dealer seines Vertrauens im Bereich Reeperbahn; und wer sich einen Schuss Heroin setzen möchte, der wird in St. Georg fündig. So einfach, so schlecht.

Drogenszene: Hamburg nicht so drastisch wie Berlin

Um zu sehen, wie es noch schlimmer kommt, reicht der Blick nach Berlin. Dort, im Görlitzer Park, fehlte zeitweise die staatliche Kontrolle. Weitgehend unbehelligt gehen die Dealer ihren Geschäften nach, immer wieder eskaliert die Gewalt. Anwohner und Geschäftsleute fühlen sich im Stich gelassen. So drastisch ist es glücklicherweise in Hamburg nicht, aber wenn die Stadt nicht aufpasst und nicht noch entschlossener als bisher die Drogenkriminalität an den bekannten Brennpunkten zurückdrängt, sind ähnliche Zustände auch hier möglich. Die Dealerei geht Anwohnern in den betroffenen Gebieten nicht nur auf die Nerven; sie beschädigt auch das Image der Stadt. Einige Hotelgäste haben wegen der krummen Geschäfte vor der Haustür schon ihren Aufenthalt storniert.

Natürlich lässt sich ein so tief verwurzeltes Problem wie das massenhafte Dealen nicht von heute auf morgen lösen. So schlimm es klingt: Diese kriminellen Strukturen sind über Jahre gewachsen. Die laschen Kontrollen an den EU-Außengrenzen dürften dazu beigetragen haben, dass sich die Szene in den vergangenen Jahren noch weiter ausbreiten konnte. Nun ist die Schaffung einer Taskforce „Drogen“, die einen repressiven Ansatz verfolgt, gewiss nicht der Weisheit letzter Schluss.

Hintermänner heizen Drogenhandel an

Um den Drogenkonsum allgemein zu reduzieren, sind auch mehr präventive Angeboten wie weitere Suchtberatungsstellen nötig. Außerdem müsste die Abteilung Organisierte Kriminalität im Landeskriminalamt verstärkt werden – damit die Polizei gezielt die Hintermänner des Drogenhandels ins Visier nehmen kann. Sie sind es, die hinter der Struktur stehen und die kleinen Frontdealer ausbeuten. Die Handlanger wiederum sind leicht ersetzbar.

Aber die Nadelstiche gegen die Szene zeigen erste Erfolge – so sank die Zahl der erfassten klassischen Deal-Straftaten um 14,1 Prozent. Nun noch mehr Beamte zu fordern, die den Dealern auf die Füße treten, wäre indes wohlfeil. Schon rein personell wäre das kaum zu leisten, denn die Polizei ist durch die Arbeit an mehreren Fronten (Einbruch, Autoposer, Soko „Schwarzer Block“, Fahrraddiebstahl etc.) ohnehin am Limit. Ebenso verfängt der Ruf nach härteren Strafen nicht. Viele der Frontdealer sind Ersttäter. Und dass sie wegen Handelns mit einer „leichten Droge“ wie Marihuana gleich zu einer Gefängnisstrafe verurteilt werden, ist mehr als unwahrscheinlich.

Es bleibt das Problem, dass der Kampf gegen die Drogenkriminalität dem Kampf gegen eine Hydra gleicht: Schlägt man einen Kopf ab, wachsen viele neue nach. Man kann nur hoffen, dass die Polizei mit der Strategie der ständigen Nadelstiche gegen die Dealer am Ende den längeren Atem hat.