Der Wolkenkratzer Elbtower ist ein Statement – und das ist entscheidend.

Die Symbolik hätte besser nicht sein können. Noch-Bürgermeister Olaf Scholz, auf dem Boulevard gern König Olaf genannt, lud gestern in den Kaisersaal des Rathauses. Einmal schon hatte die geheimnisumwitterte Pressekonferenz wegen der Koalitionsverhandlungen verschoben werden müssen, nun reichten die Stühle bei Weitem nicht. Das Interesse aber richtete sich weniger auf die spannende Botschaft als vielmehr auf ihren Überbringer. Vielen ging es um den designierten Finanzminister, die Koalitionsverhandlungen, den SPD-Mitgliederentscheid – aber nur wenigen um das Hochhaus. Der Elbtower, wie der Wolkenkratzer in mäßigem Maklerdeutsch heißen soll, rückte trotz seiner Größe in den Hintergrund. Da wirkte die Große Koalition ausnahmsweise größer.

Dabei soll das Hochhaus nicht nur der Schlussstein der HafenCity werden, sondern auch der Schlussstein des Bürgermeisters Scholz. Aber ob dieser Schlussstein ein Edelstein wird, steht noch dahin. Dafür stellen sich zu viele Fragen. Sicherlich ist es ein kluges Vorgehen, Bauherren und Architekten gemeinsam auszuwählen – die Architekten aus dem Büro David Chipperfield genießen Weltrang, der private Bauherr reduziert das Risiko von Fehlplanungen. Aber eine ergebnisoffene, demokratische Debatte um das Stadtbild befördert man so kaum.

Auch der Entwurf selbst löste gestern keine Woge der Begeisterung aus. Die Superlative der Verantwortlichen über die „elegante Hochhaus-Ikone“ passten nicht zur müden Präsentation – der Funke sprang selten über.

Als Olaf Scholz vor einem Jahr die Idee präsentierte, an den Elbbrücken einen Elbtower zu bauen, klang das noch anders, euphorischer. „Wir wollen das Ganze nur, wenn uns Vorschläge gemacht werden, die jedermann in dieser Stadt überzeugen, die von jeder Zeitungs- und jeder Fernsehredaktion in dieser Stadt bejubelt werden“, versprach er. Das dürfte eng werden.

Die Skepsis gegenüber Wolkenkratzern ist in Hamburg zu greifen. Ausgerechnet in der Stadt, die markante Hochhäuser wie den City-Hof oder das Euler-Hermes-Gebäude in Bahrenfeld abreißen möchte, soll nun ein Turm mit 235 Metern Höhe entstehen. Dabei sagt nicht nur der gefeierte Städteplaner Jan Gehl, dass Hochhäuser „des faulen Architekten Antworten auf die Frage nach Dichte“ sind.

Auch der Entwurf – das ist das Los vieler Visualisierungen – wirkt auf dem Papier noch etwas blutleer. Die vermeintlichen Anklänge an die Hamburger Architektur mögen Wohlmeinende in der Elbphilharmonie und dem Unilever-Haus am Valentinskamp erkennen; Übelmeinende werden sich eher an gescheiterte Kopfgeburten wie das monströse Alsterzentrum in St. Georg aus den 60er-Jahren erinnert fühlen.

Und doch entwickelt der Entwurf auf den zweiten Blick durchaus Strahlkraft, die Zweifler zu überzeugen vermag. Der Wolkenkratzer stellt sich gelassen an den Rand der Skyline, seine konkave Form wendet sich zur Stadt hin und ändert je nach Blickrichtung ihr Antlitz. Zugleich erfüllt er sogar den Nachhaltigkeitsstandard und könnte so Maßstäbe setzen.

Um Maßstäbe wird es bei der Entscheidung in der Bürgerschaft gehen, die schon bald grünes Licht für den Bau geben soll. Der Elbtower wäre der dritthöchste Wolkenkratzer der Republik und der höchste außerhalb Mainhattans. Er wäre ein Fingerzeig, dass Hamburg eine wachsende und innovative Metropole, ja Weltstadt sein möchte. Genau darin liegt seine Stärke.