Der Tarifstreit der Metaller folgt einem alten Ritual

Es geht um viel in den diesjährigen Tarifverhandlungen der Metall- und Elektroindustrie. Traditionsgemäß erregt die Forderung nach mehr Geld immer die größte Aufmerksamkeit. Und die von der IG Metall geforderten sechs Prozent mehr Lohn für zwölf Monate sind auch ein ordentlicher Schluck aus der Pulle. Zum Knackpunkt der Gespräche wird das Gehaltsplus aber nicht werden. In dem Punkt finden Arbeitgeber und Gewerkschaft sicherlich zueinander.

Die Hauptrolle nimmt die Arbeitszeit ein. Vor 23 Jahren hat die mächtigste deutsche Gewerkschaft die 35-Stunden-Woche eingeführt. Erstmals seit dieser Errungenschaft will sie nun wieder in diesem Bereich Verbesserungen durchsetzen. Es soll ein individuelles Recht auf temporäre Arbeitszeitverkürzung erstritten werden, zum Beispiel um Eltern zu pflegen oder Kinder zu betreuen. Möglichst mit finanziellem Zuschuss. Das ist ein dickes Brett, das gebohrt werden muss. Erste Annäherungen gibt es zwischen den Parteien. Das ist ein gutes Zeichen, die Einigung steht nach der fünften Verhandlungsrunde aber noch aus – überraschend kommt das nicht. Denn beide Seiten müssen letztlich gegenüber ihrer Klientel das Gesicht wahren. Stimmt die IG Metall zu schnell einem Kompromiss mit verhältnismäßig geringem Lohnplus und kaum Verbesserungen bei den Arbeitszeiten zu, fragen sich die Mitglieder, wofür sie ihre Beiträge zahlen. Gehen die Verhandlungsführer der Arbeitgeber zu schnell zu weit auf die Gewerkschaft zu, fühlen sich die Firmen nicht gut von ihnen vertreten.

So wird es sein wie fast immer. Nach einer langen Nacht finden beide Parteien morgens einen Kompromiss, den beide Seiten natürlich als sehr schmerzhaft bezeichnen. Dafür bekommen sie aber später die Zustimmung ihrer Mitglieder. Dafür spricht jetzt schon, dass die Gespräche bisher als fair bezeichnet wurden. Die 24-Stunden-Streiks könnten der Tropfen sein, der den Stein höhlt – sprich den Kompromiss ermöglicht.