Mehr als 20 Jahre nach seiner Entlassung beim HSV gibt es Spekulationen um eine Rückkehr von Felix Magath – verständlicherweise.
Der 18. Mai 1997 war ein ungewöhnlich warmer Frühlingstag in Hamburg, und als Felix Magath eine halbe Stunde vor dem Anpfiff den Innenraum des alten Volksparkstadions betrat, ahnte er bereits, dass sich seine Spieler an diesem Nachmittag nicht quälen würden, was allerdings weniger an den Temperaturen um die 26 Grad lag. „Achtet heute mal auf Kmetsch und Spörl“, argwöhnte er damals während des kurzen Small Talks mit uns Journalisten. Und tatsächlich bot sich den Zuschauern dann auch ein denkwürdiges Schauspiel in Sachen Leistungsverweigerung mit vielen weiteren glänzend aufgelegten Hauptdarstellern im Team (Bestnoten gab es auch für Valdas Ivanauskas). 0:4 hieß es am Ende gegen den 1. FC Köln. Einen Tag später musste Magath gehen.
Nach dem Rauswurf des Europapokal-Helden von 1983, es war die erste Entlassung eines HSV-Trainers, die ich als Reporter live erleben durfte, setzte ein munteres Kommen und Gehen bei den Rothosen ein. 15 Trainer (und sieben Interimslösungen) versuchten seit 1997 ihr Glück. Seinen Vertrag erfüllte nur einer: Huub Stevens 2008. Ansonsten ist die jüngere Geschichte des Clubs reich an teuren Abfindungszahlungen für Fußballlehrer, für die man vorher sogar noch Ablösen gezahlt hatte (Bruno Labbadia, Thorsten Fink, Kurt Jara), weil man sie unbedingt verpflichten wollte. Martin Jol suchte freiwillig das Weite. Legendär auch der Auftritt von Armin Veh, der förmlich um seinen vorzeitigen Abgang bettelte („So etwas wie hier habe ich noch nie erlebt. So kann man nicht arbeiten.“)
Den richtigen Zeitpunkt für einen Wechsel verpassten die jeweiligen Verantwortlichen des Clubs ebenso viel zu oft. Man denke nur an Mirko Slomka, von dem Dietmar Beiersdorfer von Anfang an nicht überzeugt war. Statt sich aber im Sommer 2014 sauber von ihm zu trennen, ließ der Vorstandschef Slomka noch die komplette Vorbereitung bestreiten, um ihn dann nach nur drei Spieltagen zu feuern. Völlig zerstört war 2016 auch die Vertrauensbasis zwischen Beiersdorfer und Labbadia, aber die nötige Konsequenz blieb aus – die Trennung erfolgte nach dem fünften Spieltag.
Und heute? Da den HSV in dieser Saison nicht nur eine Ergebnis-, sondern auch eine Glaubenskrise erfasst hat, wie sich der Verein noch retten soll, steht automatisch wieder eine Neubesetzung des Trainerpostens auf der Agenda. Vom Hoffnungsträger und strahlendem Retter in aussichtsloser Situation zum Buhmann, der als Gesicht des Absturzes herhalten muss – Markus Gisdol erlebt nun das, was vor ihm Labbadia und vielen anderen widerfahren ist. Ein Tor oder Gegentor in der 90. Minute gegen den 1. FC Köln kann am Sonnabend Schicksal spielen.
Vorstandschef Heribert Bruchhagen muss sich dabei wie ein Autofahrer fühlen, der auf der A 7 vor dem Elbtunnel im Stau steht und vor der Entscheidung steht: Soll ich die Abfahrt nehmen, um auf der Bundesstraße den Stau zu umfahren? Oder soll ich Ruhe bewahren und darauf bauen, dass der Verkehr bald wieder flüssiger fließt, weil mir beim Abfahren womöglich noch ein schlimmerer Stau droht? In solchen Phasen geht es bei einem Fußballclub nicht um Strategien, sondern rein um die Hoffnung, mit einer Veränderung einen Ausweg aus der Abwärtsspirale zu finden. Ein pures Glücksspiel.
Nach allem, was aus dem Verein zu hören ist, wäre es sehr verwunderlich, wenn Gisdol nach einer Niederlage gegen den Tabellenletzten das Team weiterhin führen dürfte, auch wenn Bruchhagen kaum etwas weniger schätzt als Trainerentlassungen. Chancenlos wäre Gisdol vor allem dann, sollte sich das Team ähnlich hängen lassen wie seinerzeit unter Magath.
So unmenschlich und respektlos es gegenüber dem noch amtierenden Gisdol klingen mag, so richtig ist es, dass sich die Clubführung mit potenziellen Nachfolgern beschäftigt. Und immer häufiger fällt beim HSV als denkbare Option der Name von Felix Magath – in Verbindung mit Ex-HSV-Profi Bernd Hollerbach. Schließlich besitzt der 64-Jährige die Gabe, die Mentalität einer Mannschaft kurzfristig zu verändern und sie zum Laufen zu bringen.