Von wegen sonniges Andalusien! Wie meine Dienstreise ins Trainingslager des FC St. Pauli zur Zitterpartie wird

Beim Landeanflug auf den Costa del Sol Airport im spanischen Málaga habe ich ein Kribbeln im Bauch. Als würde das Flugzeug in den Ozean stürzen, gleitet es knapp über der glitzernden Wasseroberfläche auf die Landebahn. Spektakulär. Ich spüre warme Sonnenstrahlen auf meiner Haut.

Die Wetter-App auf meinem Smartphone zeigt mir mitten im Januar – und zum ersten Mal nach einer gefühlten Ewigkeit – 22 Grad Celsius an. Mit einem Mietwagen fahre ich an der Küste von Fuengirola entlang zu meinem Hotel. Im Radio läuft spanische Gitarrenmusik. Ein Gefühl von Freiheit überkommt mich. Lieber Sommer, wie habe ich dich vermisst!

Was stelle ich als Erstes in meiner Unterkunft an? Trinke ich einen Cocktail an der Poolbar? Packe ich schnell meinen Koffer aus? Oder lege ich mich lieber mit einer Luftmatratze an den Strand? Während ich überlege, ob ich eine Piña Colada oder einen Sex on the Beach bestelle, ploppt auf meinem Handy eine E-Mail auf. „Bitte schicke uns deinen Text in einer Länge von 84 Zeilen zu“, schreibt mir die Abendblatt-Sportredaktion. Verdammt. Fast hätte ich vor lauter Euphorie über das schöne Wetter vergessen, dass ich zum Arbeiten in Andalusien bin.

Vor mehr als einer Woche bin ich – aufgeregt wie ein Teenager bei einem Justin-Bieber-Konzert – um 7 Uhr morgens am Hamburg Airport Helmut Schmidt zu meiner Dienstreise nach Málaga aufgebrochen. Zum ersten Mal in meinem noch jungen Journalistenleben begleite ich mit dem FC St. Pauli eine Fußballmannschaft in ein Trainingslager. Ein Traum geht in Erfüllung.

Doch genauso, wie ich bei meiner Ankunft die Arbeit verdrängt habe, können sich meine Freunde und Familie in der Heimat nicht vorstellen, dass ich keinen Entspannungsurlaub in Südspanien gebucht habe.

„Genieß das schöne Wetter“, „Vergiss deinen Bikini nicht“ und „Schreib mir eine Postkarte“ lauteten die netten Wünsche, die normalerweise Urlauber vor ihrer Abreise erhalten. Aber die Wahrheit ist: Ich bin nach diesen zehn Tagen urlaubsreifer als zuvor – und habe noch nie so häufig gefroren wie auf der Iberischen Halbinsel. Verrückt.

Noch bis zum Freitag macht sich der Kiezclub im Vier-Sterne-Golfresort in der 24.000 Einwohner kleinen Gemeinde Alhaurín el Grande für die Rückrunde fit. Meine Mission: jeden Tag in der Zeitung einen Lagebericht über den Zweitligaclub abliefern. Eine spannende Geschichte auszugraben ist aber kein Selbstläufer.

Schließlich liefert der FC St. Pauli nicht annähernd so gute Steilvorlagen wie der Hamburger Stadtrivale. Beim HSV ist der Brasilianer Walace wegen einer ungenehmigten Urlaubsverlängerung in den Streik getreten und vier Tage zu spät im Trainingslager in Jerez de la Frontera aufgekreuzt. Das ist ein Elfmeter ohne Torwart für jeden Reporter.

Fakt ist: Mein Alltag in Spanien hat wenig mit einem Strandurlaub zu tun. Morgens um 10 Uhr und nachmittags um 16 Uhr bibbere ich am Trainingsplatz im Schatten hinter dem Hotelgelände und beobachte die Mannschaft. Die Sonne hat sich nach den ersten drei Tagen hinter einer dicken Wolkendecke verabschiedet. Es ist um die 10 Grad kalt. Zwischen den Einheiten gibt es ein kurzes Zeitfenster, um in der mindestens genauso eisigen Eingangshalle mit einem Spieler meiner Wahl zu sprechen und den Artikel mit dem Laptop auf dem Schoß und zitternden Händen in die Tastatur zu hacken. Heizungen sind im Süden auch zur kalten Jahreszeit eher Mangelware.

Zugegeben: Zwei kurze Hosen, ein Kleid und ein Paar Flipflops einzupacken war etwas optimistisch. In meinem Zimmer dusche ich mich zweimal täglich für 20 Minuten heiß ab, damit wieder Leben in meinen steif gefrorenen Körper kommt. Während ich diese Kolumne schreibe, liege ich in meinem Hotelzimmer unter der Bettdecke und habe die Klimaanlage auf 28 Grad gestellt. Ja, ich bin eine Frostbeule.

Trotzdem habe ich wohl einige der spannendsten Tage meines Journalistenlebens verbracht. Eine Fußballmannschaft so nah zu begleiten ist ein Privileg. Dafür würde ich sogar in die Antarktis fliegen.