Der Ex-Clubchef kandidiert für den wichtigsten Posten beim HSV. Gelingt es ihm, die Wahl zu gewinnen, käme dies einem Neustart gleich.
Am vergangenen Wochenende ist im „Spiegel“ ein amüsanter und zugleich erschütternder Artikel zur finanziellen Situation des HSV erschienen, gestützt durch interne Mails und Verträge aus einem Datenleck. So erfuhr der Leser, dass im Vertrag von Sportdirektor Jens Todt nicht nur eine Nichtabstiegsprämie verankert wurde, sondern auch eine Sonderzahlung in Höhe von 200.000 Euro (für 2018) beziehungsweise 100.000 Euro (Sommer 2019) bei einem Wiederaufstieg. Das ist ungefähr so, als ob jemand den Oldtimer des Vaters an die Wand fährt, dafür jedoch nicht bestraft wird und sogar eine Sonderzahlung erhält, wenn er sich um die Reparatur kümmert.
Ja, doch, es gibt auch andere Beispiele, die nicht das gängige Bild der jahrelangen Maßlosigkeit und Verschwendungsmentalität beim HSV bedienen. So soll Vorstandschef Heribert Bruchhagen nur rund ein Drittel des Gehalts seines Vorgängers Dietmar Beiersdorfer erhalten. Unterm Strich schüttet der HSV jedoch viel zu viel Geld aus bei armseligem Ertrag.
Die Dauerkrise spielt Bernd Hoffmann in die Karten
Und hier kommt Bernd Hoffmann ins Spiel. 2011, als im Aufsichtsrat für seine Vertragsverlängerung eine Stimme für die notwendige Zweidrittelmehrheit fehlte, wäre wohl niemand eine Wette darauf eingegangen, dass der heute 54-Jährige 2018 ein Comeback bei den Hamburgern geben könnte. Doch die Dauerkrise spielt ihm geradezu perfekt in die Karten. Heute hat Hoffmann gute Chancen, in einer Kampfkandidatur Jens Meier als Präsidenten des e. V. abzulösen.
Immer mehr Hamburger wenden sich vom HSV ab, tief frustriert über den sportlichen Absturz und die desaströsen Club-Finanzen. Mehr als einmal ließ sich der HSV von Investor Klaus-Michael Kühne an der Nase durch den Ring führen. Eine wirkliche Strategie, wie der Club aus der Misere kommen will, ist nicht zu erkennen. Zumal fast alle Joker gezogen wurden: Man hat Clubanteile verkauft, sich Geld von den Fans geliehen, Verträge zu Beginn der Laufzeit komplett auszahlen lassen – doch die Millionen sind geradezu verpufft. Glücklich gemacht wurden nur Berater mit übertrieben hohen Provisionszahlungen. Wer auch immer künftig die Macht beim HSV hat – es braucht eine Kurskorrektur.
Wer HSV-Präsident ist, hält die Machtinstrumente in Händen
Kommt es tatsächlich zu einer Abstimmung zwischen Meier und Hoffmann, ginge es deshalb weniger um die Zukunft des e. V., sondern um Visionen für die Fußball-AG. Gelingt es Hoffmann, während seines Wahlkampfs einen Teil der leidenden Basis zu mobilisieren und so die Wahl zu gewinnen, käme dies einem Neustart wie 2014 nach der Ausgliederung gleich. Wer HSV-Präsident ist, hält, vereinfacht formuliert, die Machtinstrumente in den Händen. Er ist Mehrheitseigner der AG und kann die Besetzung des Aufsichtsrats bestimmen. Und man muss kein Fantast sein, um zu prognostizieren, dass der Nachfolger von Heribert Bruchhagen nach dessen Vertragsende Bernd Hoffmann heißen könnte.
Ob es während des „präsidialen Wahlkampfs“ aber nur um Zukunftsthemen gehen wird, bleibt jedoch abzuwarten. Wer acht Jahre den Posten des Vorstandschefs ausübt, hat nicht nur Freunde im Verein. Im Gegenteil, Hoffmann polarisierte; seine Feinde werden mit aller Macht versuchen, sein Comeback zu verhindern.
Die Herausforderung für Hoffmann besteht darin, die HSV-Basis davon zu überzeugen, dass er für den Job des Retters taugt bei der dringend notwendigen Sanierung des Vereins, ohne ihn dabei zu spalten.