Er ist jetzt auch auf dem Rasen allgegenwärtig. Und er ist nicht der einzige HSV-Profi mit neuem Selbstbewusstsein ...

„Ja, is denn hoid scho Weihnacht‘n?“ So hätte Franz Beckenbauer nach dem HSV-Sieg über Hoffenheim fragen können. Und die Antwort hätte ihm Kyriakos Papadopoulus präsentiert: „Nein, lieber Kaiser, wir haben nur wieder einmal unsere Heimstärke ausgespielt.“ Alles eine Frage der Perspektive. Heimstärke! Die hatte HSV-Trainer Markus Gisdol heraufbeschworen – und äußerst clever erfunden. Trick 17 mit etwas gesteigertem Selbstbewusstsein, denn der Coach hatte vor dem Hoffenheim-Spiel mächtig selbstbewusst verkündet: „Wir sind zu Hause eine Macht. Wenn wir alles reinwerfen, dann ist es schwer, gegen uns zu bestehen.“

Was macht der Ängstliche vor dem Betreten des dunklen Waldes? Laut pfeifen soll helfen ...

Zur Erinnerung: Der HSV rangierte am Sonnabendabend kurzfristig auf dem Relegationsplatz. Die Frage aber, die sich aus dieser Taktik ergibt, ist die: Warum hat Markus Gisdol seine Erkenntnis nicht schon viel früher so offensiv mitgeteilt? Dann wären eventuell doch viele Gegner mehr mit schlotternden Knien in den Volkspark eingelaufen als nur die zuletzt wie Espenlaub zitternden Hoffenheimer. Festzuhalten bleibt immerhin: 42 Bundesliga-Spiele lang ist Gisdol nun HSV-Trainer. Davon hatte er vor der Hoffenheim-Partie zehn Heimspiele gewonnen – und nur sechsmal daheim verloren. Zu Hause eine Macht! Oder? Es gehört schon etwas Mut dazu, als Abstiegskandidat mit nur zehn geschossenen Toren so mächtig auf die Pauke zu hauen, aber der Erfolg gab ihm recht – der Vorjahres-Vierte war in Hamburg chancenlos. Der vierte Saison-Sieg lässt die HSV-Anhänger auf jeden Fall bis heute Abend feiern.

Dieter Matz, HSV-Experte und Blog-Vater (
Dieter Matz, HSV-Experte und Blog-Vater ("Matz ab"), mit seiner Freitags-Analyse © HA | Andreas Laible

Zuletzt entwickelten sich auch einige Profis auffällig: Millionenmann Filip Kostic zum Beispiel brachte gegen Hoffenheim fast schon die Leistung, die man sich beim HSV bereits seit über einem Jahr erhofft (hatte). Und Douglas Santos scheint immer besser in Fahrt zu kommen, wirkt selbstbewusst, wagt auch im Spiel nach vorne viel mehr – vielleicht hat ihn Dennis Diekmeier auf der rechten Seite etwas vorgemacht, was der Brasilianer schon ganz vergessen hatte: Offensive. Jetzt jedenfalls spricht doch niemand mehr von Problemen hinten rechts und hinten links. In der Mitte scheint sich Mergim Mavraj auch (allmählich) wieder zu stabilisieren, und Kyriakos Papadopoulos mit seiner rustikalen Art ist als Abräumer (und Mitreißer) ohnehin gesetzt. Ohne die griechische Kampfmaschine ginge beim HSV sicherlich nicht so viel (wie zurzeit).

Um noch einmal auf Dennis Diekmeier zurückzukommen: Er ist ja allgegenwärtig. Auch auf dem grünen Rasen. Da zieht er nun nach, nachdem er zuerst mit jedem neuen Tattoo auf sich aufmerksam gemacht hat. Jeder kleine und große HSV-Fan weiß doch nach jeder neuen Nadelstecherei schon nach Minuten, wo „DD2“ auf seinem schönen und makellosen Körper wieder einmal eine Lücke schließen ließ. Demnächst soll das sogar live übertragen werden – aber das ist nur ein Gerücht.

Immerhin aber ist es schön, wenn ich von den Diekmeiers immer wieder erfahre, wo sie gerade am Wochenende sind oder von welchem Ort dieser Welt sie ein Selfie schicken. Ich könnte mir auch vorstellen, dass „DD2“ der nächste Joshua Kimmich der „Bild“ ist, dass mit dem HSV-Verteidiger eine ähnlich aufregende Serie wie mit dem bayerischen Nationalverteidiger gestartet wird. Das hätte so viel für mich, denn dann würde ich auch noch das allerletzte Geheimnis von ihm und über ihn erfahren – wenn es denn so etwas überhaupt noch geben kann, bei den schon bekannten Enthüllungen.

Sportlich auf jeden Fall hat „DD2“ eine großartige Leistungsexplosion gezeigt. Dickes Kompliment. Er rast nach vorne, rast nach hinten (wieder zurück, muss er ja auch, ist sein Haupt-Job), ist überall zu finden. Er mischt überall mit, er dirigiert, er gibt lautstarke und nachhaltige Abweisungen, er tritt als Tausendsassa auf, kann sogar Flanken zur Mitte bringen, kann auch, wie gegen Hoffenheim zu sehen, mit dem Kopf ablegen – das hat schon was. Wenn ich es noch nicht geschrieben hätte, dann würde ich es jetzt machen: Kompliment. Dickes Kompliment sogar. Dennis Diekmeier ist mein Mann des Herbstes.