Mit der Bürgerversicherung der SPD droht erst recht eine Zweiklassenmedizin
Revolutionen von oben sind selten geglückt. Die Einführung einer wie auch immer gearteten Bürgerversicherung wäre ein Totalumbau des deutschen Gesundheitswesens. Er könnte – wenn überhaupt – nur gelingen, wenn man Versicherer, Ärzte und Patientenvertreter, Arbeitgeber und Gewerkschaften zusammenbrächte und Konsens herstellte. So ist es Tradition im bestfunktionierenden System der Welt. Und so ist es rechtlich verfasst.
Denn aus gutem Grund haben wir ein Nebeneinander von privaten und öffentlich-rechtlichen Anbietern wie den gesetzlichen Krankenkassen. Niemand darf hier einfach hineinregieren, wo ein so essenzielles Gut wie die Gesundheit aller betroffen ist.
Man muss kein Schwarzmaler sein, um am Ende dieser Gleichmacher-Fantasie die staatliche Einheitskasse zu sehen. Darauf laufen die Überlegungen hinaus. Und die Probleme der Privatversicherer werden nicht gelöst. In ihrer Allmachts-Anmaßung glauben Propagandisten wie SPD-Mann Karl Lauterbach, die Kassen, die Ärzte und am Ende die Patienten bevormunden und kujonieren zu dürfen. Es ist blanker Populismus, die heutige Situation als „Zweiklassenmedizin“ zu diffamieren. Genau die droht erst, wenn die Bürgerversicherung käme.
Das kann nicht im Sinne der Sozialdemokraten sein. Wenn nur gut Betuchte sich private Extra-Absicherungen und das nicht vom Leistungskatalog abgedeckte Medizinprogramm leisten können, haben wir nur noch Luxusklasse und Basiskasse.
Denn dieses Szenario droht: Gibt es eine Bürgerversicherung, kann zwar nach wie vor vom Gemeinsamen Bundesausschuss festgelegt werden, welche Operation bezahlt, welche Medikamente gewährt werden. Doch die Deutschen vergreisen (demografische Entwicklung), und gute Medizin wird immer teurer (technologische Entwicklung). Am Ende verfügt die Politik nach Kassenlage, wie hoch der Steuerzuschuss zur Bürgerversicherung ist.
Das wollten schon einmal Politiker: aus dem Amtszimmer entscheiden, ob 80-Jährige noch eine künstliche Hüfte bekommen sollen. Und es gerieten die Beiträge, die Arbeitnehmer und Arbeitgeber belasten, immer weiter unter Druck. Die Folgen dieses politischen Eingreifens in die sozialen Sicherungssysteme sind derzeit bei der Rente zu beobachten. Hier durfte jeder Koalitionspartner der letzten „GroKo“ sein Herzensprojekt durchsetzen: Rente mit 63 (SPD) und Mütterrente (CSU). Man kann diese versicherungsfremden „Wohltaten“ rechtfertigen, wenn man sie denn systemlogisch finanziert. Heißt: durch Steuern und nicht über die Beiträge, die die Arbeitgeber und Arbeitnehmer belasten.
Liebe Sozialdemokraten, es ist gerechter, wenn nicht bloß der Arbeiter am Fließband und VW die Sozialkassen stützen. Gesamtgesellschaftliche Aufgaben wie die Mitversicherung von Kindern müssen aus Steuermitteln von allen getragen werden, auch vom Großverdiener, der sich dem System entzieht. Was, wenn in der künftigen Krankenversicherung kein Geld mehr da wäre für die kostenlose Kinderversicherung? Das ist eine versicherungsfremde Leistung wie die Mütterrente. Müsste dann doch Oma auf die neue Hüfte verzichten?
Und schon jetzt profitieren gesetzlich Versicherte von einem Wettbewerb, in dem die Privaten Innovationen überproportional finanzieren. In der Behandlung erhält jeder Kassenpatient die beste zeitgemäße Technik und Arzneimittel. Das sollte so bleiben.