Bei manchen Menschen dauert das Erwachsenwerden bis zum 50. Geburtstag. Ist aber auch nicht weiter schlimm. Besser spät als nie. Deshalb ist es zu begrüßen, dass sich Deutschlands und der Welt berühmtester Tennisspieler, Boris Becker, dazu entschlossen hat, seinen Wortbeiträgen, wozu auch immer, mehr Gewicht zu verleihen. Nichts mehr mit Bobbele, Roter Baron, der Leimener oder gar „unser Boris“. Besonders Letzteres klingt zu sehr nach nett, nach einem von uns. Einer vom gleichen Planeten. Wie vermessen! So war das nie gemeint. Boris Becker, damit das mal klar ist, war zu keiner Zeit einer von uns.

Martina Goy ist Abendblatt-Chefreporterin
Martina Goy ist Abendblatt-Chefreporterin © HA | Mark Sandten

Und damit das auch von jedem verinnerlicht und künftig so gehandhabt wird, hat er anlässlich seines am Mittwoch anstehenden Ehrentages kundgetan, wie er fortan genannt werden will: Herr Becker! Das wurde aber auch Zeit. Schließlich ist es noch nicht lange her, seit er im deutschen Verband ganz nach oben geschossen ist. Ämtermäßig gesehen. „Head of Men’s Tennis“ ist seine Bezeichnung. Und in dieser Funktion soll er seinen Sport wieder in die Regionen bringen, in denen er mal war, als ein gewisses Bobbele, Verzeihung, der Herr Becker den Tennis-Fans besonders in Deutschland aufregende und anregende Momente am Band bescherte.

Doch nicht nur im Umgang mit seinen Fans, den Medien und überhaupt allen, die sich ihm als Ausnahmemensch nähern, ist die neue Anrede sinnvoll. Es macht sicher einen Unterschied, wenn Herr Becker mit Alexander und Mischa Zverev redet und die Brüder herzlichst bittet, im kommenden Jahr mal für Deutschland im Daviscup anzutreten. Denn was Herr Becker sagt, hat dann womöglich mehr Gewicht als einfach nur ein Satz vom Boris. Und für seine mannigfaltigen Bereiche außerhalb des Sports, Finanzpleite, vielleicht Ehekrise, vielleicht aber auch nicht, ist eine seriösere Anmutung ohnehin sinnvoll. Dem Bobbele verzeiht man zwar seine Fehlinvestitionen und seine Fehltritte im Privatleben. Dem Herrn Becker traut man vielleicht zu, sie irgendwann zu lösen.

In die Außendarstellung des Boris Becker jedenfalls passt diese Namensvolte. Er, der ewig Unverstandene, der sich zunehmend verfolgt Fühlende, hat jetzt eine Trennungslinie gezogen. Auf der einen Seite Herr Becker, auf der anderen die Millionen Fans des Sportlers Boris Becker, einst liebevoll Bobbele genannt.