Weil sich der Aufsichtsrat der Vergangenheit zerstritt, gibt es keine HSV-Zukunft

Am Tag nach der vermeintlich entscheidenden Aufsichtsratssitzung des HSV, auf der nur entschieden wurde, dass vorerst nichts entschieden wird, gingen die Protagonisten auf Tauchstation. Kontrolleurschef Andreas Peters? Sagte nichts, erklärte nichts. Vorgänger Karl Gernandt? Traf sich mit HSV-Investor Klaus-Michael Kühne zu weiteren Gremiensitzungen und schwieg. Und HSV-Präsident Jens Meier? Saß im Flieger auf dem Rückweg seiner Dienstreise in Südkorea – und hatte sehr viel mehr Zeit zum Nachdenken, als dem Hauptverursacher des jüngsten HSV-Spektakels vermutlich lieb war.

Doch was genau war überhaupt passiert? Eine einfache Frage, auf die es am Tag danach keine einfache Antwort gab. So hatten die sechs Noch-Aufsichtsräte der HSV Fußball AG am späten Mittwoch auf ihrer eigentlich letzten gemeinsamen Sitzung entschieden, dass es nicht ihre letzte Sitzung sein würde. Traurig-tragisch war dabei aus HSV-Sicht vor allem, dass es ausnahmsweise mal nicht um Personen ging. Denn anders als kolportiert war der Knackpunkt am Mittwoch keineswegs die Vorstellung des neuen Aufsichtsratssextetts, zu der es am Abend nicht mal kam. Es ging um Nichtigkeiten – sagen die einen. Es ging um Grundsätzliches – sagen die anderen. Es ging um den Weg, der ja bekanntlich das Ziel ist – und das HSV-Ziel, ein ganz normaler Fußballverein zu sein, scheint mal wieder weiter weg denn je.

Klingt kompliziert? Ist aber simpel. Der AG-Aufsichtsrat, der aus der Reformbewegung HSVPlus hervorgegangen ist, hat am Mittwoch nur da weitergemacht, womit er vor dreieinhalb Jahren begonnen hat: Er hat versagt. So wurden seit der Ausgliederung 2014 mehr als 120 Millionen Euro für neue Fußballer ausgegeben, die Verbindlichkeiten stiegen in der Zeit auf ein Rekordhoch von 105 Millionen Euro. Es wurden Vorstände, Sportchefs und Trainer fleißig ausgetauscht, und auch mit der zuvor versprochenen Ruhe im traditionell lauten Gremium war es schnell vorbei. Um es kurz zu machen: Der Club der Ahnungslosen, wie frühere HSV-Räte vom Boulevard getauft wurden, hat sich diesen Spitznamen endlich mal redlich verdient.

Denn was nach der Sitzung am Mittwoch viel zu kurz kam: Mitnichten ist nur die Hauptversammlung, auf der ein neues Aufsichtsratssextett verabschiedet werden sollte, vom 18. Dezember um ein oder zwei Monate in das erste Quartal 2018 verschoben worden. Verschoben sind damit auch die Fragen über das zukünftige Budget für Sportchef Jens Todt, über die Zukunft von Vorstandschef Heribert Bruchhagen und über etwaige Lösungsansätze im Lizenzierungsverfahren. Kurzum: In einem funktionierenden Fußballverein ist der Aufsichtsrat für die strategische Ausrichtung des Clubs mitverantwortlich – und diese ist nun wegen ein paar Streitereien verschoben.

Am Ende ist es auch völlig egal, wer hier nun wen inakzeptabel findet, wer mit wem nicht kann und wer seinem Nachbarn die Schaufel aus dem Sandkasten geklaut hat. In dieser Konstellation gibt es keinen Gewinner – und nur einen richtigen Verlierer: den HSV.

Präsident Jens Meier hatte rund ein halbes Jahr Zeit, sich einen neuen Aufsichtsrat zusammenzusuchen. Und dem Vernehmen nach war er noch vor der Sitzung bester Hoffnung, dass trotz der heftigen Kühne-Kritik der vergangenen Woche am Ende alles gut werden würde. Um es kurz zu machen: Meier irrte. Diesen Irrtum muss der HSV-Präsident nun korrigieren. Gelingt ihm das nicht, braucht der Club nicht nur einen neuen Aufsichtsrat. Am 18. Februar 2018 sind Präsidiumswahlen...