Das Müllgebühr-Aus war unvermeidbar. Rot-Grün fehlt(e) das politische Gespür
Im Rückblick war der monatelange Zoff um die Straßenreinigungsgebühr ja auch ein Fest für Freunde witzloser Wortspiele. „Die Müllgebühr gehört auf den Müll“ oder „in die Tonne“, wurde da immer wieder von den Kritikern gefordert. CDU-Fraktionschef André Trepoll übertraf sich am Dienstag nach dem Aus für die ungeliebten Pläne noch einmal selbst und zog einen kafkaesken Insektenvergleich: „Der rot-grüne Müllkäfer hat ausgestrampelt“, befand der offenbar biologisch (oder literarisch) beschlagene Christdemokrat. „Der Kampf von Rot-Grün glich phasenweise einem verzweifelten Käfer, der bereits auf dem Rücken liegt und trotzdem weiterstrampelt.“
Wollte man in diesem Duktus bleiben, könnte man auch kommentieren mit einem schlichten: „Sauber!“ Denn die Entscheidung des Senats, nach monatelangen Protesten auf die Belastung aller Hamburger mit einer Art Pauschalsteuer zu verzichten, ist richtig. Aber sie war für Rot-Grün am Ende auch unvermeidlich. Zu mächtig war mittlerweile die Allianz der Gebührengegner. Es waren eben nicht nur wohlhabende Grundbesitzer, die sich geschröpft fühlten, obgleich sie ein paar Hundert Euro im Jahr wohl verkraftet hätten. Es waren auch kleine Rentner mit geerbten Häuschen am Stadtrand und vor allem: sämtliche Hamburger Mieter, die von SPD und Grünen zur Kasse gebeten werden sollten.
So gründete sich gegen die Pläne von Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) und Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) eine Front über alle Schichten und politischen Lager hinweg. Vom Sozialverband Deutschland und dem Mieterverein über den Steuerzahlerbund bis hin zu Wohnungsgesellschaften und dem Grundeigentümerverband wurde gegen die Finanzierung des rot-grünen Putzprojekts mobilisiert. Auch die gesamte Opposition stimmte ein: Von Linkspartei bis AfD wurde Kerstans Gebührenplan als ungerecht, unsozial und unnötig gebrandmarkt.
Mit etwas mehr Sorgfalt beim Nachdenken hätte man im rot-grünen Senat auch vorher wissen können, dass fast die ganze Stadt gegen den Plan aufstehen würde. Denn erstens hätte man mit der Gebühr jeden einzelnen Hamburger getroffen. Zweitens hätte man in Zeiten ohnedies steigender Immobilienpreise und Mieten das Wohnen in Hamburg weiter verteuert – entgegen allen sonstigen Willensbekundungen. Drittens empfanden viele Hamburger das Prinzip als ungerecht. „Die Verursacher des Mülls in Parks und Straßen lasst ihr laufen“, hieß es immer wieder – „und dafür werden sogar die zur Kasse gebeten, die sich immer wieder um das Gemeinwesen bemühen und ihre Straßen selber fegen“. Tatsächlich hatte der SPD-Senat ja erst 2014 den Bezirklichen Ordnungsdienst abgeschafft, der auch Müllsünder zur Rechenschaft gezogen hatte. Und viertens war die Gebühr unsozial – zumal sie jeden Hamburger unabhängig von seinem Einkommen belastet hätte.
Natürlich: Es ist richtig, endlich für mehr Sauberkeit auf Straßen und Plätzen und in den Parks zu sorgen. SPD und Grüne hätten aber auch selbst darauf kommen können, ihre Initiative über die Rekordsteuereinnahmen zu finanzieren – die übrigens auch aus den Taschen der Bürger kommen. Stattdessen sind sie monatelang mit ihren Köpfen gegen eine sehr harte Wand gerannt. Das kann nur zwei Ursachen haben: Entweder gibt es bei Rot-Grün eine geheime Lust an der politischen Selbstbeschädigung. Oder diese Regierung hat – zumindest in diesem Fall – den Kontakt zu den Regierten verloren.