Stadt muss Verwaltung digitalisieren, aber unabhängig von Internetriesen bleiben.
Man müsste schon schwer naiv sein, wenn man die Digitalisierung noch immer für eine durch und durch gute Sache halten wollte. Denn in Wahrheit ist sie eine der größten Zerstörerinnen der Weltgeschichte. Seit der Erfindung des Internets ist keinesfalls alles besser geworden. Während Branchen wie Einzelhandel, Verlage und Taxiunternehmen weltweit ums Überleben kämpfen, dominieren Monopolisten wie Amazon den Weltmarkt, ihre Gründer häufen unfassbare Reichtümer an, und ihre Firmen zahlen kaum Steuern.
Der digitale Plattform-Kapitalismus macht vormals abgesicherte Arbeitnehmer zu mies verdienenden Kleinstunternehmern – und Studien sagen voraus, dass mehr als die Hälfte aller Arbeitsplätze wegfallen könnten, weil Software die Jobs bald besser und billiger erledigt.
Derweil sammeln Google und Co. so viele Daten über uns, dass Orwells Großer Bruder dagegen wirkt wie ein rotznäsiger Pimpf. Und mithilfe von sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter erobern Radikalinskis, Verschwörungstheoretiker und andere Vollpfosten die Deutungs- und Meinungshoheit in der neuen digitalen Öffentlichkeit – und machen einen mentalen Grenzgänger wie Donald Trump zum amerikanischen Präsidenten.
So weit, so schlecht. Was aber können wir und die Politik überhaupt tun? Zunächst einmal gilt die alte Weisheit: Wenn eine Riesenwelle kommt, musst du versuchen, sie zu reiten. Sonst bricht sie dir das Genick. Nur wer die Herausforderung annimmt, kann versuchen, die Digitalisierung so zu gestalten, dass sie sich nicht mehr wie die beginnende Niederlage des Menschen gegen die Maschine auswirkt.
Es gilt die vielen Vorteile, Wachstumsmärkte und neuen Bequemlichkeiten, die die Entwicklungen der vergangenen Jahre schließlich auch gebracht haben, zu nutzen – und zugleich die Nachteile einzudämmen. Der Hamburger Senat will etwas Derartiges jetzt immerhin versuchen. Mit dem Projekt „Digital First“ will er die Verwaltung so umbauen, dass sich alle Bürger die meisten Behördengänge sparen können. Mit der „Open Online University“ soll die wissenschaftliche Lehre für alle zugänglich werden, und mit dem Projekt „Open Science“ sollen Forschungsergebnisse und die ihnen zugrunde liegenden Rohdaten öffentlich gemacht und so weitere, auch weltweit gemeinsame Forschung über das Internet ermöglicht werden. Hamburg soll damit zum Modell einer digitalen Zukunftsstadt werden – aber nicht nach den Ideen von Google, Facebook, Apple und Co., sondern auf Grundlage eigener Netzentwicklungen.
Das Stichwort heißt „digitale Souveränität“. Wer die Vorteile der technischen Entwicklung nutzen, sich aber nicht von den großen Netzgiganten, ihren Monopolen und ihrer Datensammelwut abhängig machen will, der muss eine souveräne Digital-Infrastruktur aufbauen. Das ist bisweilen mühsamer als das Hochladen von Videos auf YouTube oder von Dokumenten und Daten in die Apple-Cloud. Und es könnte zunächst auch teurer sein.
Und doch ist der Weg, den Hamburg einschlagen will, richtig. Staaten und Städte müssen nicht nur die Daten ihrer Bürger vor dem Zugriff der Netzkraken schützen. Die demokratisch legitimierte Politik muss auch ihre Unabhängigkeit gegenüber den gewinnorientierten Unternehmen wahren. Das ist in den Zeiten der Digitalisierung wichtiger denn je. Schließlich wollen wir nicht irgendwann von Facebook oder Google regiert werden.