Die SPD landet in Hamburg auf dem zweiten Platz hinter der CDU – diese wird aus dem Ergebnis Selbstbewusstsein für 2020 tanken.

Das Ergebnis der Bundestagswahl bedeutet zweifellos auch für Hamburg eine historische Zäsur. Damit ist aber nicht das Abschneiden der rechtskonservativen AfD gemeint, die die Wähler mit knapp acht Prozent an Elbe und Alster klar schlechter bewerteten als auf Bundesebene. Für die AfD sind die Bäume in Hamburg nach den 6,1 Prozent bei der Bürgerschaftswahl 2015 nicht in den Himmel gewachsen. Die Parolen der Rechten verfangen in Hamburg insgesamt nicht so stark wie bundesweit.

Wahrhaft historisch ist, dass der Scholz-Effekt erstmals nicht zog. Bürgermeister Olaf Scholz hat als SPD-Landesvorsitzender mit 23,5 Prozent das schlechteste Ergebnis seiner Partei seit 1949 eingefahren. Mehr noch: Die Verluste, die die Hamburger SPD bei den Zweitstimmen hinnehmen musste, liegen deutlich oberhalb der Verluste der Partei bundesweit. Die Differenz zwischen dem Gesamtergebnis der SPD in Hamburg und dem der Bundes-SPD ist mit rund drei Prozentpunkten nur noch minimal.

Und der direkte politische Gegner, die CDU, liegt in Hamburg bei den Zweitstimmen nicht nur vor der SPD, sondern die Verluste der Christdemokraten fallen auch noch deutlich geringer aus als im Bund. Letzteres hängt vermutlich auch mit der Schwäche der AfD im Norden zusammen.

Der Autor leitet das Ressort Landespolitik des Abendblatts
Der Autor leitet das Ressort Landespolitik des Abendblatts © HA / A.Laible

Aber Olaf Scholz, der vor nur zweieinhalb Jahren die CDU bei der Bürgerschaftswahl geradezu demütigte, muss nun nach Fehlern in der eigenen Politik suchen. Schon klar: Dies war keine Abstimmung über die Politik des rot-grünen Senats oder des Bürgermeisters. Aber die Unzufriedenheit mit dem roten Teil der Politik im Rathaus hat zu dem aus SPD-Sicht miserablen Ergebnis beigetragen.

In der Ursachenanalyse dieses Wahlergebnisses werden die Ereignisse rund um den G20-Gipfel in den Messehallen Anfang Juli eine Rolle spielen müssen. Seit er 2011 ins Amt des Bürgermeisters gewählt wurde, ist Scholz’ Kapital bei den Wählern seine Glaubwürdigkeit und das daraus resultierende Vertrauen, das er in weiten Teilen der Bevölkerung genießt. Nach den Gewaltexzessen linksextremer und autonomer Gruppen und mehrerer irritierender Äußerungen des Bürgermeisters rund um den Gipfel, ist das Vertrauen eines Teils der Wähler offensichtlich geschwunden. Bei den Bürgerschaftswahlen hat Scholz als prag­matischer Sozialdemokrat Stimmen bis weit ins bürgerliche Lager hinein geholt. Hier dürfte er nun verloren haben.

Aus Sicht der CDU ist der knappe Vorsprung vor der SPD mehr als ein Lebenszeichen: Die Partei, die nach dem Wahldesaster 2015 an sich selbst zweifelte, wird aus dem Ergebnis der Bundestagswahl Selbstbewusstsein für 2020 tanken, wenn in Hamburg eine neue Bürgerschaft gewählt wird. Überdeckt wird der dramatische Befund für die SPD nur dadurch, dass es den Sozialdemokraten erneut gelungen ist, fünf Direktmandate zu erobern.

Die Grünen erweisen sich auch in Hamburg – allen Unkenrufen und eigenen Befürchtungen zum Trotz – als erstaunlich stabil. Sie können ihr Ergebnis gegenüber 2013 sogar leicht verbessern und sind zumindest in Hamburg dritte Kraft. Die FDP hat mit ihrer Spitzenkandidatin Katja Suding den für die Liberalen günstigen Bundestrend voll nutzen können und kann an frühere zweistellige Ergebnisse anknüpfen.

Zieht man das Wählervotum für Linke und AfD zusammen, dann hat auch in Hamburg etwa jeder fünfte Wähler einer Partei am Rand des Spek­trums seine Stimme gegeben. Auch darin liegt ein Auftrag für die Kräfte der Mitte.