Es ist beschämend, dass so viele Rentner in Hamburg von Armut bedroht sind.

Hin und wieder gibt es Nachrichten, die alle professionellen Hamburg-Versteher und -erklärer aus ihrem Alltagstrott reißen. Der geht ja in etwa so: Hamburg ist eine der attraktivsten Städte der Welt, die Menschen strömen nur so hierher, wir haben pro Kopf das mit Abstand höchste Steueraufkommen aller Bundesländer, produzieren Haushaltsüberschüsse, laden inzwischen regelmäßig die ganze Welt zu uns ein und richten wie selbstverständlich auch den Auftakt der Rolling-Stones-Tour aus. Kurz: Uns geht’s gut.

Doch es gibt eben auch diese Wahrheit, die der DGB uns jetzt in Erinnerung ruft: Ein Hamburger Rentner hatte 2015 im Schnitt monatlich 1118 Euro zur Verfügung, eine Rentnerin 710 Euro. Wer erst 2015 in den Ruhestand gegangen ist, hatte sogar noch weniger. Davon lässt es sich in manchen Stadtteilen gar nicht und vielen anderen nur mehr schlecht als recht leben. Und es erklärt auch, warum 7,5 Prozent der Altersrentner in der Hansestadt zusätzlich eine staatliche Grundsicherung beziehen – mehr als in jedem anderen Bundesland.

Gemessen an dem Bild von der schönen, reichen Stadt an der Elbe, das Hamburg so gern von sich zeichnet, sind das beschämende Daten. Aber sie fallen gar nicht so sehr aus dem Rahmen, denn am anderen Ende der Bevölkerungspyramide ist das gleiche Phänomen zu beobachten: Mehr als jedes fünfte Kind ist in Hamburg von Armut gefährdet, die Quote von 22,5 Prozent liegt über dem Bundesschnitt.

Andreas Dey ist Redakteur im Ressort Landespolitik
Andreas Dey ist Redakteur im Ressort Landespolitik © HA | Klaus Bodig

Nun sind solche Statistiken grundsätzlich mit Vorsicht zu genießen, da sie reine Zahlenwerke sind und nichts über die reale oder auch nur über die subjektiv empfundene Armut aussagen. Wenn zum Beispiel 100 Millionäre nach Hamburg ziehen, steigt das Durchschnittseinkommen in der Stadt so stark an, dass plötzlich Menschen statistisch als arm gelten, die ein gutes Auskommen haben. Umgekehrt gibt es vermutlich Tausende Hamburger, die zwar über allen Armutsschwellen liegen, sich aber dennoch als arm wahrnehmen, weil sie in ihrem Stadtteil keine bezahlbare Wohnung mehr finden.

Wir haben ein Armutsproblem in Hamburg

Da sich diese Effekte unterm Strich vermutlich ausgleichen, sollten wir die Zahlen so nehmen, wie sie sind, und konstatieren: Wir haben ein Armutsproblem in Hamburg, und das wird, zumindest mit Blick auf die Älteren, vermutlich eher noch größer.

Was ist zu tun? Das Grundproblem der real sinkenden Renten kann nur auf Bundesebene gelöst werden. Dass ein System, in dem das Verhältnis der Beitragszahler zu den Rentenbeziehern von einstmals 6:1 auf mittlerweile 2:1 geschrumpft ist, auf Dauer nicht funktionieren kann, liegt auf der Hand. Daran lässt sich noch ein paar Jahre herumdoktern, aber am Ende gibt es nur eine Lösung: Wir brauchen mehr Beitragszahler, sprich Kinder.

Die Politik kann dafür naturgemäß nur Anreize bieten. Ironischerweise ist Hamburg in dem Punkt ganz weit vorn: Hier gibt es bereits die Gebührenfreiheit für Kitas, Unis und Ganztags­betreuung an Schulen – alles Maßnahmen, die auch das Armutsrisiko der betroffenen Gruppen senken. Auch beim Wohnungsbau kann man dem Senat wahrlich nicht fehlendes Engagement vorwerfen. Dass die Zahl der Sozialwohnungen dennoch seit Jahren sinkt, ist allerdings ein Makel und ein möglicher Hebel in der Armutsbekämpfung.

Dieser Kampf ist zäh und natürlich nie ganz zu gewinnen. Aber wer eine Elbphilharmonie bauen kann, sollte auch den Anspruch haben, seine Bürger vor Armut zu beschützen.