Der Herausforderer der SPD konnte seine vermutlich letzte große Chance auf mehr Wählerstimmen nicht nutzen.
Die Befragung von Angela Merkel und Martin Schulz am Sonntagabend war alles, ein Duell war sie nicht. Auch wenn es nach der ersten Hälfte, in der viel zu lang über Migration und Integration gesprochen worden war, wenigstens bei den Themen Türkei und in der Innenpolitik kontrovers wurde — alles in allem wirkten die Kanzlerin und der Spitzenkandidat nicht wie zwei Kontrahenten. Mehr als einmal gab Martin Schulz der „Frau Merkel recht“, mehr als einmal nickte die Regierungschefin, wenn der SPD-Mann etwas sagte. Und als Beobachter hörte man irgendwann auf zu zählen, wie oft die beiden sich einig waren.
Wenn diese TV-Begegnung die größte (und vielleicht einzige) Chance für Schulz war, den enormen Rückstand in den Umfragen zur Kanzlerin und zur CDU/CSU wettzumachen, dann hat er sie nicht genutzt. Er war nicht schlechter als die Bundeskanzlerin, aber er war auch nicht wirklich besser. Er hat bewiesen, dass er ein kluger, besonnener Politiker ist, der seine Überzeugungen nicht wegen eines Duells mit der Kanzlerin aufgibt. Das ist in seiner Situation mehr als ehrenvoll, hilft aber natürlich nicht, wenn man tatsächlich jemanden wie Angela Merkel aus dem Kanzleramt verdrängen will. Der Weg dorthin wird Schulz sowohl von seinem Harmoniebedürfnis als auch von seinem Verantwortungsbewusstsein verbaut. Er hat in den 97 Fernsehminuten nicht bewiesen, dass er eine Alternative zu Merkel ist, also jemand, der wirklich etwas anders machen würde. Auch sonst merkte man als Zuschauer immer wieder, wie ähnlich sich die beiden sind.
Martin Schulz hat seine Sache nicht schlecht gemacht
Damit wir uns nicht falsch verstehen: Martin Schulz hat seine Sache nicht schlecht gemacht, er hat sich, allerdings vor allem im zweiten Teil, gut verkauft. Aber er wirkte nicht wie jemand, der unbedingt Bundeskanzler werden will – auch wenn es keinen Satz gab, den er öfter sagte. Angela Merkel war dieser Wille zur Macht, besser gesagt: zum Machterhalt, stärker anzumerken. Sie spielte ihre Erfahrung im Amt voll aus.
Das Duell selbst zerfiel in zwei Teile: Den ersten, der von der Flüchtlingsdebatte dominiert wurde, entschied die Kanzlerin für sich. Im zweiten, in dem viel zu viel durcheinander ging, hatte Schulz Vorteile, insbesondere, als es um die Innenpolitik ging. Unter dem Strich heißt das: Unentschieden – und damit ist der SPD-Kandidat der Verlierer. Schulz hätte einen klaren Sieg gebraucht, um Merkel noch gefährlich werden zu können. Dies ist ihm nicht nur nicht gelungen, am Ende landete die Kanzlerin sogar noch einen raffinierten Treffer, als sie für sich eine Koalition mit AfD oder Linken ausschloss – und das Gleiche von ihrem Herausforderer einforderte. Der wird jetzt bei möglichen Wählern auch dadurch in Erinnerung bleiben, dass er eine rot-rot-grüne Koalition nicht für unmöglich erklärte.
Die Struktur des Duells war unmöglich
Unmöglich war dagegen die Struktur des Duells. Natürlich sind die Themen Flüchtlinge und Integration wichtig für die Zukunft Deutschlands. Doch dass die Moderatoren dafür knapp die Hälfte der Sendezeit verbrauchten und sich in Details und unnötigen Rückfragen verrannten, war schade, um nicht zu sagen ärgerlich. In der zweiten Hälfte blieb dann für viele wichtige Fragen kaum Platz. Am Ende wurden Schulz und Merkel gezwungen, mit Ja und Nein zu antworten, und neben den Zuschauern verloren auch die vier Gesprächsleiter den Überblick. Da nutzten auch die letzten 60 Sekunden nichts, in denen die Kanzlerin und der Kandidat zu ihrem Publikum sprechen konnten. Wobei Schulz hier schlechter abschnitt als die Kanzlerin, und zwar allein dadurch, dass er es nicht schaffte, seine wichtigste Botschaft in der verabredeten Zeit unterzubringen.