Zwei Jahre nach der Flüchtlingskrise, kommt es mehr denn je auf die Hamburger an.

Bis hierhin war es eine Achterbahnfahrt – mit noch immer ungewissem Ausgang. Das Elend der Flüchtlinge und ihre Ankunft in Massen. Die „Züge der Hoffnung“, das Spalier der Helfer, überfüllte Baumarkt-Hallen, Willkommenskultur, ein Land im Rausch. Dann Silvester in Köln, der Siegeszug der Populisten, Sorgen, Angst, Ohnmacht. Schließlich etwas Ruhe, andere Themen, die wichtiger zu sein schienen. Und das Gefühl von Erschöpfung.

Was hat die Flüchtlingskrise mit unserer Stadt gemacht? Sie hat Hamburg verändert, insgesamt eher zum Guten. Viele Hanseaten haben ihre Weltoffenheit neu entdeckt, etliche eine neue Berufung gefunden. Tausende neue Jobs sind entstanden.

Kriminalität nimmt durch Flüchtlinge nicht zu

Die Verwaltung – vom Jobcenter bis zur Universität Hamburg – hat begonnen, ihre teils starren Regeln und ihr Vorgehen zu hinterfragen. Diese Stadt, die so gern international sein will, ist tatsächlich großstädtischer geworden.

Der Autor ist Redakteur der Lokalredaktion des Abendblatts
Der Autor ist Redakteur der Lokalredaktion des Abendblatts © HA | Klaus Bodig

Die vielleicht beste Nachricht nach zwei Jahren: Die ganz großen Befürchtungen haben sich nicht erfüllt. Weder nimmt die Kriminalität durch Flüchtlinge immer weiter zu, sie geht – wenn auch nur leicht – sogar zurück.

Auf dem Arbeitsmarkt ist kein großes Gerangel zwischen Alt- und Neu-Hamburgern um bestimmte Jobs ausgebrochen – die Flüchtlinge neigen dagegen von selbst häufig zu den Tätigkeiten, in denen ohnehin ein eklatanter Mangel herrscht. Der erste Dank für die recht ordentliche Zwischenbilanz gebührt jedoch nicht der Politik, sondern den noch immer mehr als 3800 Ehrenamtlichen, die teils bis zur Selbstaufgabe auf der Großbaustelle Integration schuften.

In den Unterkünften gibt es Abgehängte

Nun erneut in der Anfangseuphorie zu schwelgen wäre dennoch fahrlässig. Denn auch die Größe der Herausforderungen wird jetzt erst sichtbar. Die Stadt steht noch vor Problemen, deren Lösung bislang nicht einmal in Sicht ist. Da sind die Abgehängten in den Unterkünften, die sich mit Drogen betäuben, die ihren Drang zu einem neuen Leben verloren haben. Diejenigen Flüchtlinge, die immer kriminell waren oder wurden. Die Großsiedlungen der „Perspektive Wohnen“, die trotz der Verträge mit den Gegeninitiativen für viele Anwohner noch wie bedrohliche Raumschiffe wirken.

Die mehr als 10.000 Flüchtlinge, die schon jetzt auf den engen Wohnungsmarkt strömen. Die enorme Anzahl von rund 3500 Asylbewerbern, bei denen teils mehrfache und schwere psychische Erkrankungen diagnostiziert worden sind. Die Gefahr, dass ein weiterer Flüchtling in Hamburg zum Terroristen wird, wie Ahmad A. in Barmbek.

Abschiebung: Was ist mit den Afghanen?

Nach der Zeit der Extreme ist nun die Zeit für Realismus. Dazu gehört ein neuer Umgang mit den Afghanen, die die größte Flüchtlingsgruppe in Hamburg bilden – aber nicht einmal zu Integrationskursen zugelassen sind. Es ist pragmatisch und beinahe überfällig, dass Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) auch geduldete Flüchtlinge nun stärker fördern will. Denn der bisherige Zustand, etwa Afghanen politisch auszuschließen, aber nicht auszuweisen, grenzt an Selbstbetrug.

Am Ende wird es jedoch nicht auf den Bürgermeister ankommen, sondern auf seine Bürger. Wer es wie die Rechtspopulisten hält und Flüchtlinge pauschal ausgrenzt, trägt selbst zu den Parallelgesellschaften bei, die er so fürchtet. Wer Flüchtlinge über Gebühr betüdelt und sie von jeder Eigenverantwortung freispricht, schadet ebenfalls.

Der Weg zur Integration liegt in der Mitte, zwischen Euphorie und übergroßer Angst. „Wir schaffen das“, aber nur mit einer Portion Gelassenheit.