In seinen Reden sagt Bürgermeister Olaf Scholz viele weise Sätze. „Wenn die Pressefreiheit und die Arbeitsbedingungen von Journalisten eingeschränkt werden“, stellte der Senatschef im Mai bei einem Medienkongress in der Hansestadt fest, „dann sind das immer Indikatoren für eine Abkehr von demokratischer Regierungsführung“. Damit hat Scholz zweifelsohne recht. Allerdings gilt dieser Satz nicht nur bei Diskussionen über Russland oder die Türkei.

Auch in Deutschland muss das Grundrecht der Pressefreiheit immer wieder verteidigt werden. Laut „Reporter ohne Grenzen“ sind Journalisten auch hier „Drohungen und Einschüchterungsversuchen ausgesetzt“ und geraten „immer wieder ins Visier von Strafverfolgungsbehörden oder Geheimdiensten“. Im Zusammenhang mit dem G20-Gipfel waren es Scholz’ eigene Behörden, die Journalisten auf widerrechtliche Weise an der Arbeit gehindert haben.

Die Polizei hat unter Hamburger Kommando nicht nur einen datenschutzrechtlich bedenklichen Umgang mit Listen angeblich gefährlicher Journalisten geübt, denen ohne jede Begründung die G20-Akkreditierung entzogen wurde. Die Hamburger Behörden sind auch verantwortlich dafür, dass auf dieser Liste völlig unbescholtene Journalisten standen. So hat die Polizei einen Reporter, der zum 1. Mai über eine linksextreme Demonstration berichtet hat, einfach mit auf eine Liste von festgenommenen Extremisten gesetzt. Diese wurde an den Verfassungsschutz übermittelt, der sie ohne jede Prüfung übernahm und weitergab. Folge: Der Journalist wurde von G20 ausgeschlossen. Die Sicherheitsbehörden haben also faktisch ein Berufsverbot gegen ihn verhängt.

Ob das versehentlich oder böswillig geschehen ist, wird zu klären sein. So oder so: Mit dieser willkürlichen Einschränkung von Verfassungsrechten wurde in der Tat „eine rote Linie überschritten“, wie es der Datenschutzbeauftragte formuliert. In einem Rechtsstaat haben nicht Polizei und Geheimdienste zu entscheiden, welche Journalisten wie berichten dürfen. Die Bürgerschaft sollte sich die Speicherpraxis der Sicherheitsbehörden dringend genauer ansehen.

Übrigens: Dies ist nach den zugelassenen Gewaltorgien bei G20 und den Behördenfehlern im Umgang mit dem islamistischen Attentäter von Barmbek bereits der dritte Fall, in dem sich Olaf Scholz und sein Innensenator Andy Grote unbequeme Fragen gefallen lassen müssen. Viele erhellende Antworten haben beide bisher nicht gegeben.