Die Argumentation der Anwohner ist immer dieselbe: Nein, sie seien nicht grundsätzlich gegen Wohnungsbau und hätten auch Verständnis für Nachverdichtung – doch in ihrem ganz konkreten Fall sei es nun wirklich zu eng, Balkone würden verschattet, die grüne Oase im Innenhof zementiert, dringend benötigte Parkplätze vernichtet. So hört man es von Bürgerinitiativen in Ottensen, Winterhude, aus dem Grindelviertel und jetzt auch aus Lok­stedt. Ganz ehrlich: Ich kann die Argumente verstehen. Denn die viel beschworene Lebensqualität ist ein Gefühl, und dieses lässt sich nicht davon beeinflussen, ob rein rechnerisch noch genug Platz, Grünflächen, Kitas und Parkplätze vorhanden sind. Oder ob Nachverdichtung in Hamburg grundsätzlich notwendig ist.

Das ist sie nämlich zweifelsohne. Hamburg braucht mehr Wohnraum, damit auch diejenigen hier wohnen bleiben können, die es sich ansonsten bald nicht mehr leisten können. Dennoch darf es keine Nachverdichtung um jeden Preis geben. Auch wenn es mühsam ist, muss von Fall zu Fall entschieden und gegebenenfalls ein Kompromiss ausgehandelt werden. Und wer protestierenden Anwohnern pauschal das „Nicht-in-meinem-Hinterhof-Prinzip“ vorwirft, sollte vorher einmal aus dem eigenen Fenster gucken und sich überlegen, ob er an deren Stelle wirklich anders reagieren würde.

Die Stadt muss regulierend eingreifen

Die Autorin ist stellvertretende Leiterin des Hamburg-Ressorts
Die Autorin ist stellvertretende Leiterin des Hamburg-Ressorts © Massimo Rodari

Da Investoren in angesagten Quartieren bauen wollen, in denen es ohnehin schon eng ist, muss die Stadt regulierend eingreifen. Und sollte im Gegenzug nicht aufgrund des „übergeordneten gesamtstädtischen Interesses“ Bürgerbegehren wie das am Mühlenkampkanal gegen 120 Wohnungen, die zwischen drei Hochhäusern entstehen sollen, direkt ausbremsen und den Bezirk dazu auffordern, den Bau zügig zu genehmigen. Eine politische Debatte auf Bezirksebene muss in einem solchen Fall möglich bleiben. Ebenso wie das Ablehnen der Baupläne, wenn es schlicht zu eng wird, wie Anfang des Jahres am Moorkamp in Eimsbüttel.

Bleibt die schwierige Frage, wie es möglich sein soll, die jährlich 10.000 neuen Wohnungen zu bauen, die laut Senat nötig sind, um des Problems steigender Mieten Herr zu werden. Da es die eine Antwort vermutlich nicht gibt, sollte man sich verstärkt um viele einzelne Lösungen bemühen. Manches mag vielleicht läppisch klingen, aber Ziele kann man auch auf vielen kleinen Wegen erreichen. Einige wurden schon beschritten, so erleichtert der Senat beispielsweise das Aufstocken von Wohnhäusern und fördert neue Bauformen wie kleinere Wohnungen mit mehr Zimmern und familientauglichen Schnitten. Hier sind weitere neue Wohnformen denkbar.

Konsequent gegen Leerstand vorgehen

Warum beispielsweise nicht für Singles und Studenten moderne WG-Häuser mit kleinen Wohnungen bauen, in denen Haushaltsräume oder Küchen geteilt werden? Innovativ wäre auch eine Vermittlungsstelle zwischen älteren Menschen, denen ihre Wohnung zu groß, eine neue aber zu teuer ist, und jungen Familien. Die Wohnungen könnten den Lebensphasen entsprechend getauscht werden.

Die Stadt muss aber nicht nur kreativ, sondern auch aktiv werden. Dazu gehört: konsequent gegen Leerstand vorzugehen, Zweckentfremdung durch Vermieten von Wohnungen an Touristen zu verhindern. Und natürlich muss sie Instrumente finden, um Mietsteigerung wirklich zu begrenzen.

Das alles bringt vielleicht noch keine 10.000 Wohnungen im Jahr. Aber in Summe mehr Lebensqualität für alle.