Polizei arbeitet Fehler auf. Experten-Teams sollen Gefahren früher erkennen
20.000 Entscheidungen treffen wir pro Tag, schätzen Verhaltensforscher. Bis zu 100.000 können es sein bei denen, die beruflich Verantwortung tragen, Abteilungen oder Unternehmen leiten. Die allermeisten dieser Entscheidungen fallen, ohne dass wir auch nur einen Moment darüber nachdenken. Und die vielen anderen sind für Dritte zumeist folgenlos. Das beinahe schon Tragische: Liegen der Jugendamtsmitarbeiter, der über das Wohlergehen eines Kindes entscheiden muss, der Arzt bei der OP oder der Polizist bei einer Gefahrenanalyse richtig, so nimmt das niemand auch nur zur Kenntnis. Zum Thema wird’s erst bei dramatischen Folgen. Wie beim späteren Messerstecher von Barmbek. Der Fall fällt in die Kategorie, bei der man sich mit dem Blick von heute fragt, wie man gestern nur so entscheiden konnte.
Der Verdacht auf schwerwiegende Versäumnisse im Landeskriminalamt erhärtet sich weiter. Hinweise aus der Szene versandeten genauso wie Warnsignale aus dem Verfassungsschutz oder Hilferufe aus der Flüchtlingsunterkunft. Offensichtlich hat hier ein LKA-Mitarbeiter, wenn nicht eine Abteilung, Entscheidungen mit furchtbaren Folgen getroffen. Welche Fehler die Sicherheitsbehörden im Fall Ahmad A. noch gemacht haben, wird jetzt parlamentarisch und hoffentlich schonungslos aufgearbeitet. Positiv ist, dass Polizei und Innenbehörde nur Tage nach der Bluttat ein verbindliches neues Regelwerk für den Umgang mit Hinweisen auf Radikalisierungen vorlegen. Statt eines Ermittlers mit Ermessensspielraum und Bauchgefühl sind es jetzt Teams aus Fachleuten, die nach festen Fristen und vorgegebenen Standards entscheiden müssen. Das verringert das Risiko von Fehleinschätzungen wie in Barmbek stark; ob es aber die Tat eines zutiefst gestörten politischen Wirrkopfs hätte verhindern können, bleibt zweifelhaft.